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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
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ich ihn schneller erkannt. Aber von dem Sturzhelm fehlte jede Spur. Stattdessen trug Oskar eine Sonnenbrille mit schwarzen Gläsern. Sie waren dermaßen groß, dass nicht nur seine Augen dahinter verschwanden, sondern an beiden Seiten die abstehenden Ohren gleich mit. Anscheinend ist alles, was Oskar sich auf den Kopf setzt, dafür genauso viel zu groß wie seine riesigen Zähne. Nur der Rucksack auf seinem Rücken war so klein, dass ich ihn anfangs fast nicht bemerkte.
    Ich hatte mir tausend Sachen überlegt, die ich Oskar bei unserem Wiedersehen sagen könnte, zum Beispiel, dass wir jetzt zusammen die Blumen auf dem Dachgarten von den Runge-Blawetzkys gießen könnten, weil die noch bis Sonntag im Urlaub blieben, aber dann war mir eingefallen, dass er ein bisschen Höhenangst hat, und eigentlich reichte ja auch ein einfaches Schön dich wiederzusehen oder, noch besser, Du hast mir viel gefehlt. Er hatte mir eine Postkarte aus Dänemark geschickt. Auf dem Bild waren sandige Dünen und grasiges Gras und blaues Meer. Hintendrauf stand in riesigen Buchstaben: LIEBER RICO, DEIN OSKAR .
    Die Karte hatte ich über mein Bett mit einer Reißzwecke an die Wand geheftet und mir seitdem jeden Tag ein paarmal angeguckt. Ich hatte Oskar wirklich vermisst, deshalb hatte ich mir vorgenommen, ihn bei unserem Wiedersehen zu umarmen. Und jetzt stand ich vor ihm, starrte ihn bloß verblüfft an und sagte:
    Â»Wo ist dein Helm?«
    Â»Zu auffällig«, trompetete Oskar mit seiner auffälligen hohen Stimme.
    Er umarmte mich auch nicht, aber das war okay. Jemand wie Oskar ist kein guter Umarmer. Er ist mehr der rationale Typ.
    Â»Mit dem Helm würde mich jeder sofort erkennen«, erklärte er. »Es ist besser, wir sind inkognito unterwegs.«
    Â»Inkowas?«
    Â»Inkognito. Wenn einen keiner erkennen kann.«
    Â»So wie Spiderman?«
    Â»So in etwa.«
    Ich schaute mich um. Niemand zu sehen, außer uns. Das mit dem Inkognito schien also offenbar zu funktionieren. Vor zwei Wochen hatten sich hier noch jede Menge Reporter herumgedrückt, genauso wie vor der Dieffe 93.
    Â»Wenn dich keiner erkennen soll«, sagte ich, »warum stehst du dann hier draußen auf der Straße rum? Ich dachte, ich könnte mir eure Wohnung angucken und deinen Papa –«
    Â»Mein Vater ist nicht zu Hause, und es ist nicht aufgeräumt.«
    Â»Wo ist er denn?« Mein Blick kletterte suchend an dem schimmelblauen Haus empor. Fast alle Fenster hatten Gardinen. Ein paar waren blank. An einem davon klebten etwa zehn Folien von bunten runden Dingern.
    Â»Bei der Arbeitsagentur«, sagte Oskar. »Er hat sich nicht abgemeldet, bevor wir nach Dänemark gefahren sind.« Er hob eine Hand und zeigte. »Mein Zimmer ist das im zweiten Stock mit dem Sonnensystem am Fenster. Die von der Agentur haben es rausgekriegt.«
    Â»Dass das Sonnensystem an deinem Fenster klebt?«
    Â»Dass mein Vater ohne Erlaubnis Urlaub gemacht hat. Jetzt kürzen sie uns womöglich die Stütze. Die verstehen da keinen Spaß.«
    Ich hatte keine Ahnung, wer die von der Arbeitsagenturwaren, aber besonders freundlich konnten sie nicht sein, wenn sie sofort pampig wurden, nur weil mal einer kurz zu den Wikingern fuhr. Allerdings wusste ich, was Stütze war.
    Â»Ich hab genug Geld für uns beide«, sagte ich. »Soll ich dich zum Eisessen einladen?« Das Geld war von Mama, sie hatte es mir extra für diesen Tag mitgegeben: fette zehn Euro. Plus zwei achtundzwanzig Taschengeld, das ich gespart und vorsichtshalber noch nicht in meinen Reichstag gesteckt hatte. Hätte ich Mama angebettelt, wären es womöglich noch zehn Euro mehr geworden, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte wegen dem verbotenen Fernsehauftritt. Dann hätten Oskar und ich jetzt … über dreißig, schätzte ich.
    Oskar antwortete nicht gleich auf meine Einladung. Er überlegte vorher. Wegen der dämlichen Sonnenbrille konnte ich nicht sehen, was er überlegte. Bestimmt fand er es peinlich, sich einladen lassen zu müssen. Selber schuld. Er hätte ja ins Fernsehen gekonnt – sein Papa, hatte er mir bei dem Besuch im Krankenhaus erzählt, war ganz scharf darauf gewesen, dass sein berühmter Sohn alle möglichen Talkshows abklapperte, wahrscheinlich wegen dem Geld. Aber Oskar hatte sich gesträubt. Er sei doch kein Zirkuspferd, hatte er empört geschnaubt, und ich hatte
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