Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
Sie.«
    Â»Interessiert mich nicht.«
    Oskar starrte sie an. Seine kleinen Finger mit den abgekauten Nägeln begannen einen Trommelwirbel auf dem Tresen zu schlagen, ta-ramm, ta-ramm. »Die Vanillepflanze«, erklärte er unbeirrt weiter, »muss von Arbeiterinnen auf Madagaskar und Réunion mit Kaktus- oder Bambusstacheln künstlich bestäubt werden, um in ausreichenden Mengen auf dem Weltmarkt verkauft werden zu können.«
    Â»Tatsächlich.«
    Das Eiskugelrauskratzding klapperte. Die erste Kugel Erdbeer landete im Becher.
    Â»Das ist keine schöne Arbeit«, ta-ramm, ta-ramm, »und sie wird schlecht bezahlt.«
    Â»So, so.«
    ZACK, Pistazie, ZACK, Tiramisu …
    Â»Und künstliche Vanille ist völlig unschädlich.«
    Â»Was du nicht sagst. Wo war noch mal das Karamell?«
    Oskars Finger kamen zur Ruhe. »An fünfter Stelle. Aber zählen konnten wir ja eigentlich bis sieben.« Die Eisfrau schnaubte bloß. Oskar wandte sich mir zu. »In deinem Eis ist sie auch drin.«
    Ich starrte meine Waffel an, als hätte sich ein Tierchen darin versteckt. »Wer?«
    Â»Die künstliche Vanille.«
    Ich nickte und tippte mit der Zungenspitze vorsichtig gegen die Schokokugeln. Sie schmeckten okay. Hinter mir klapperte das Eiskugelrauskratzding immer schneller. Ich hatte noch nie überlegt, ob irgendwo irgendwer dafür schlecht bezahlt wurde, dass er mit Kaktusstacheln was natürlich Unschädliches zu essen herstellte, das künstlich genauso unschädlich war.
    Die Eisfrau reichte Oskar seinen Becher über den Tresen nach unten und ich hielt ihr den Zehneuroschein hin. Als sie mir das Wechselgeld herausgab, tat ich so, als würde ich es schnell nachzählen, bevor ich es in die Hosentasche klimpern ließ.
    Â»Tschüs«, sagte ich. »Bis bald mal wieder.«
    Die Eisfrau hob das Eiskugelrauskratzding wie eine Waffe und murmelte etwas wie: Nur über meine Leiche. Oskars Kopf lief rot an. Wenn er wütend wird, kann er total ausrasten. Ich packte ihn schnell beim Arm und zog ihn hinter mir her. Bis wir am Springbrunnen angekommen waren und uns nebeneinander auf die Kante setzten, hatte sein Gesicht wieder die normale Farbe zurück.
    Â»Wie war’s mit deinem Papa in Dänemark?«, sagte ich, hauptsächlich, um ihn abzulenken. »Auf der Postkarte stand ja nicht viel drauf.«
    Â»Kalt.« Oskar begann an der obersten Erdbeerkugel herumzuspachteln. »Ich bin froh, dass ich wieder hier bin. Es hat tagelang geregnet. Wie war’s in der Zeit bei dir zu Hause?«
    Der letzte Satz folgte so rasch auf den vorigen, als wollte Oskar verhindern, dass ich eine Zwischenfrage stellte. Mit ihm und seinem Papa schien es nicht so gut gelaufen zu sein bei den Wikingern, aber vielleicht lag das auch nur am dänischen Regen.
    Â»In der Dieffe ist nichts los«, beantwortete ich seine Frage. »Die Kesslers, die RBs und Jule mit Massoud kommen bald aus dem Urlaub wieder, aber dafür sind noch ein paar andere weggefahren – der Kiesling mit seinem Porsche und der Bühl mit Sondererholungsurlaub.«
    Â»Wann kommt er denn zurück – der Bühl?«
    Â»Weiß nicht.«
    Ich erwähnte nicht, wie sauer ich war, weil Oskar dann womöglich bemerkte, dass ich den Bühl als Papa wollte, und Papas waren gerade kein gutes Thema. Bis jetzt hatte der Bühl Mama und mir nicht mal eine Ansichtskarte aus seinem Urlaub geschickt. Es war, als hätte er uns einfach vergessen.
    Â»Und wie war dein Motorradausflug mit deinem Lehrer?«, sagte Oskar.
    Ich leckte an meinem Schoko und zuckte die Achseln. »Wir sind aus der Stadt raus. Da wächst nur Mais in Richtung Süden. Greifen Feldhamster Menschen an?«
    Â»Nein. Hast du einen gesehen?«
    Â»Nein.«
    Â»Das hätte mich auch gewundert. Feldhamster sind nämlich äußerst – oh, Mann, jetzt hat sie mir doch Zitrone gegeben!«
    Ich guckte neugierig auf seinen Becher. »Sollen wir umtauschen gehen?«
    Â»Nee, besser nicht. Die Eistante bringt uns um, wenn sie uns noch mal bedienen muss. Die schält uns mit dem Portionierer glatt das Gehirn aus der Birne.«
    Â»Mit was für einem Portionierer?«, sagte ich besorgt. Ich hab nicht so viel Gehirn, dass ich es mir leisten könnte, wenn was davon rausgeschabt wird.
    Â»Na, mit diesem … was weiß ich. Mit diesem Eiskugelrauskratzding.« Oskar hielt den Becher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher