Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
schräg und begutachtete den Inhalt so gründlich, dass seine Nase fast in der Zitronenkugel versank. Dann grunzte er zufrieden. »Wenigstens stimmt die Reihenfolge.«
    Als er weiterlöffelte, achtete er so sorgfältig darauf, Zitrone und Pistazie nicht zu vermischen, dass man denken konnte, es gäbe eine Explosion, wenn die Eissorten aneinandergerieten. »Ich freue mich auf das Bingospielen«, sagte er unvermittelt. »Und dass ich bei dir schlafen darf. Ich hab mich die ganzen zwei Wochen darauf gefreut.«
    Ich grinste nur, weil ich nichts antworten konnte vor Glück. Das war nämlich der eigentliche Knüller des ganzen Tages: Oskar würde heute Abend mit Mama und mir zum Bingospielen ins Gemeindezentrum gehen. Und er würde danach bei mir übernachten. Wenn der beste Freund bei einem übernachtet, ist das so ziemlich das Großartigste, was man sich vorstellen kann. Mama hatte das mit Oskars Papa gerade noch rechtzeitig am Telefon verabredenkönnen, bevor der Oskar nach Dänemark verschleppt hatte.
    Wir aßen weiter unser Eis. Oskar war schneller als ich, obwohl er mehr Kugeln hatte. Ich überlegte, ob ich Lust auf noch mal fünf Schoko hatte und ob das Geld dafür reichte.
    Â»Wo liegt Madagaskar?«, sagte ich.
    Â»Vor der afrikanischen Ostküste.« Oskar glibschte mit dem Löffel einen ordentlichen Klacks Vanille aus dem Becher. »Ist eine Insel.«
    Vielleicht war natürlich unschädliches Eis billiger. Es war ja nicht meine Schuld, dass die armen Arbeiterinnen, die auf Madagaskar in der Vanille rumpiksten, so wenig Geld verdienten. Wenn natürlich aus Protest niemand die billige Vanille kaufte, um sie in Schoko reinzumischen, ging es den Arbeiterinnen womöglich irgendwann besser. Andererseits lebten sie auf einer sonnigen Insel voller Orchideen, das war ja schon mal nicht so schlecht und –
    Â»Hast du einen Cent?«, sagte Oskar.
    Ich zuppelte einen Cent von meinen zwei Euro achtundzwanzig Taschengeld aus der Hosentasche. Oskar nahm ihn, rieb ihn zwischen den Fingern blank und warf ihn über die Schulter. PLATSCH! Ich drehte mich um und guckte ins Wasser. Der Cent hatte kleine Wellen beim Eintauchen verursacht, die im Sonnenlicht blendend aufblitzten, aber ich erkannte trotzdem mehrere Geldstücke, die bereits im Brunnen lagen. Ich wandte mich Oskar zu.
    Â»Warum hast du das gemacht?«
    Â»Es bringt Glück«, sagte er.
    Â»Und warum hast du die Münze über die Schulter geworfen und nicht vorwärts?«
    Â»Weil man dem Glück nicht nachlaufen und ihm auch nicht entgegenblicken soll.«
    Â»Sagt wer?«
    Er zuckte nur die Achseln und schlabberte an seinem Tiramisu. Ich zuppelte noch mal in meiner Hosentasche, fand ein Zweicentstück, drehte mich um und warf es in den Brunnen. Mit Hinterhergucken. Die Münze platschte ins Wasser und trudelte nach unten.
    Â»Du bist verrückt«, sagte Oskar neben mir, ohne sich umzudrehen, aber es klang genauso wie Du bist echt tollkühn. »Beschwer dich später bloß nicht bei mir, wenn irgendwas schiefläuft.«
    Ich sah ihn über meine zweitletzte Schokoladenkugel hinweg an. Ich fand, es war ein guter Zeitpunkt, eine Frage zu stellen, die mir seit dem Beinahestreit mit Mama wegen der Talkshow immer wieder durch den Kopf gegangen war. »Oskar?«, sagte ich langsam.
    Â»Hm?«
    Â»Wenn dein Vater unbedingt wollte, dass du in der Glotze auftrittst, wegen dem Geld und so, aber du wolltest nicht, warum ist er dann nicht … Ich meine, er hätte doch auch selber ins Fernsehen gehen können, ohne dich.«
    Â»Die wollten nur mich.« Oskars spitze kleine Zunge flitztehin und her über ein Stückchen Pistazie auf seinem Plastiklöffel. »Papa ist schwierig im Umgang mit Leuten. Deshalb haben sie lieber auf ihn verzichtet.«
    Meine nächste Frage traute ich mich kaum zu stellen, obwohl sie viel wichtiger war als die erste. Sie lag mir schon seit zwei Wochen wie ein Gewicht auf der Seele. Im Krankenhaus hatte ich noch gedacht, wenn sie da so rumliegt, schläft sie nach einer Weile vielleicht einfach wieder ein, aber stattdessen war sie immer wacher geworden. Und schwerer. Ich holte tief Luft.
    Â»Oskar?«, sagte ich noch mal.
    Er hob bloß den Kopf.
    Â»Zieh mal die Brille ab. Ich muss dich noch was fragen.«
    Er nahm die Brille ab. Er sah mich abwartend an mit seinen grünen Augen. Ich konnte sehen, wie die schwarzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher