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Das philosophische Denken im Mittelalter

Das philosophische Denken im Mittelalter

Titel: Das philosophische Denken im Mittelalter
Autoren: Kurt Flasch
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Vorwort zur 2. Auflage
    1. Dieses Vorwort gibt mir Gelegenheit, den Akzent hervorzuheben, um den es in diesem Buch geht. Es zeigt: Die unpersönlichsten Theorien und die erhabensten Themen sind an Zeiten und Landschaften gebunden. Daher behandle ich das mittelalterliche Wissen nicht nur als abstrakte Spekulation, sondern immer auch im Rahmen seiner Lebenswelt. Dazu gehören seine Zeitstelle und sein Bezug auf eine kulturelle Region. Nicht, als habe es zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem geographischen Ort nur eine bestimmte Theorie geben können; einen solchen Determinismus wird man in diesem Buch nicht finden, auch nicht in der ersten Auflage. Wohl aber sind Theorien, auch theoretische Konflikte, an vorausgehende Diskussionen und an bestimmte Voraussetzungen gebunden, z. B. an das Vorhandensein von Texten und Bildungseinrichtungen, an ein Minimum ökonomischer, sozialer und politischer Organisation. Das Denken des Mittelalters differenziert sich nach Regionen, nach Autoren, nach deren Erfahrungen, Lektüren und Entwicklungsstadien. Wer nach einer einheitlichen Scholastik sucht oder wer nur den Ursprung der Moderne in ihm nachweisen will, beseitigt seine Lebendigkeit. Der erste Schritt in Richtung auf die tatsächlich vorhandene Vielfalt im mittelalterlichen Denken besteht in der Wahrnehmung der kulturellen Regionen. Es gab nicht nur Paris; es gab auch Köln und Krakau, Neapel und Chartres, Bologna und Oxford. Von dieser Vielfalt, zu der auch Laon und Pavia, Fulda und Prag, Córdoba und Erfurt gehören, verschaffe man sich eine Anschauung, am besten durch Reisen, jedenfalls aber mit einem Geschichtsatlas.
    Mein Buch bricht mit der Vorstellung, das Denken sei im Mittelalter eine Einheit gewesen, die sich auf wenige Richtungsnamen beschränken oder gar in Thesen zusammenfassen ließe. Inzwischen ist die Forschung in dieser Richtung weitergegangen: Ruedi Imbach hat die sozialen Schichten der Urheber und Adressaten des mittelalterlichen Wissens behandelt und gezeigt, dass es sich nicht nur um Klerikerwissen gehandelt hat: Ruedi Imbach, Laien in der Philosophie des Mittelalters , Amsterdam 1989; ders., Dante , la philosophie et les laïcs , Fribourg/Paris 1996. Loris Sturlese hat die Regionalgeschichte der Philosophie bereichert: Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen , München 1993; Alain de Libera hat eine neue synthetische Darstellung vorgelegt, die gerade die Vielfalt der Orte und Kulturen, der Themen und Antworten sichtbar macht: La philosophie médiévale , Paris 1993. Es sind neue Textausgaben hinzugekommen; eine Fülle neuer Untersuchungen, vor allem aus dem angelsächsischen und dem italienischen Sprachraum, sind erschienen. Ich habe davon so viel aufgenommen, wie es die Architektur meines Buches und der äußere Rahmen gestatteten; es sollte bei einem Band in Reclams Universal-Bibliothek bleiben.
    2. Für diese Neufassung habe ich meinen Text überprüft, korrigiert und an vielen Stellen erweitert. Einige Kapitel sind aufgrund fremder und eigener Forschung weitgehend umgestaltet. Dies gilt vor allem für das 12. Jahrhundert. Dessen Vielfalt und Ideenreichtum haben mich beim Abfassen der ersten Auflage in eine Art Torschlusspanik versetzt, so dass ich auf Abschluss drängte und selbst von Autoren schwieg, mit denen ich mich zuvor intensiv befasst hatte.
    Inzwischen habe ich eine Reihe von Themen an anderer Stelle weiterverfolgt; ich nenne auswählend einige meiner Arbeiten, im Hinblick auf die ich mich bei der Neubearbeitung kurz fassen konnte:
    Kurt Flasch, Einführung in die Philosophie des Mittelalters , Darmstadt 1987, 3 1994; ders., Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277 , Mainz 1989; ders., Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Historisch-philosophische Studie, Text, Übers., Komm., Frankfurt a. M. 1993; ders., Logik des Schreckens. Augustinus von Hippo. Die Gnadenlehre von 397 , 2., verbesserte Auflage mit Nachwort, Mainz 1995; ders. / Udo Reinhold Jeck (Hrsg.), Das Licht der Vernunft. Die Anfänge der Aufklärung im Mittelalter , München 1997; ders. (Hrsg.), Interpretationen. Hauptwerke der Philosophie. Mittelalter , Stuttgart 1998; ders., Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung , Frankfurt a. M. 1998.
    3. Ich danke meinen Lesern der ersten Auflage, auch den meisten Rezensenten. Sie haben meine Sicht und Schreibart zu schätzen gewusst. Sie haben sie »quellennah, frisch, nicht professoral«
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