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Prinz der Nacht

Prinz der Nacht

Titel: Prinz der Nacht
Autoren: Prinz der Nacht
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dieser Welt auch schöne Dinge gab. Unschuld. Freude. Glück. Vor allem wollte sie Hoffnung schöpfen.

    Vom Fluss wehte eine sanfte, nach Flieder duftende Brise zwischen den dorischen Marmorsäulen hindurch, zu dem weißen Korbsessel, in dem sie saß. Für eine kleine Weile waren ihre drei Schwestern hier gewesen. Aber Astrid hatte sie weggeschickt.
    Nicht einmal diese Frauen konnten sie aufmuntern.
    Müde und desillusioniert hatte sie Trost bei ihrem Buch gesucht. Darin erkannte sie eine Güte, die ihren Angehörigen und Bekannten fehlte.
    Gab es keinen Anstand mehr? Keine Freundlichkeit? Hatte die Menschheit letztendlich bei des zerstört?
    Sosehr sie ihre Schwestern auch liebte - sie verhielten sich genauso skrupellos wie die anderen Leute, völlig desinteressiert am Flehen und Leiden aller, die nicht mit ihnen verwandt waren. Nichts rührte ihre Herzen.
    Astrid wusste nicht, wann sie zum letzten Mal gelacht oder geweint hatte.
    Jetzt fühlte sie sich wie betäubt. Diese innere Lähmung war ein Fluch, der auf ihrer Familie lastete. Schon vor langer Zeit hatte ihre Schwester Atty sie davor gewarnt, wenn sie den Beruf einer Richterin ergriff, würde dieser Tag kommen.
    Jung, eitel und dumm, hatte Astrid die Warnung damals ignoriert. Niemals würde sie dem Leid der Menschen gleichgültig gegenüberstehen.
    Und nun waren es nur mehr ihre Bücher, die ihr fremde Emotionen nahebrachten. Selbst wenn sie es nicht richtig
    »spürte« - die irrealen, gedämpften Gefühle der handelnden Personen trösteten sie auf gewisse Weise. Könnte sie weinen, würden sie ihr sogar Tränen entlocken.
    Als sie Schritte hinter sich hörte, schob sie das Buch unter das Sitzkissen des Sessels. Niemand sollte sehen, was sie las. Sonst würde man fragen, warum sie diese Lektüre wählte, und sie müsste gestehen, sie hätte die Fähigkeit des Mitleids verloren. Unbehaglich drehte sie sich um und sah ihre Mutter den gepflegten Rasen überqueren, auf dem drei getupfte Rehkitze grasten.
    Ihre Mutter war nicht allein, Artemis und Acheron begleiteten sie.
    In weichen Wellen umgaben die langen roten Haare das Gesicht ihrer Mutter, das die jugendliche Ausstrahlung einer Dreißigjährigen besaß. Zu einem kurzärmeligen blauen Hemd hatte Themis eine Kakihose angezogen.
    Niemand würde sie in diesem Aufzug für die griechische Göttin der Gerechtigkeit halten.
    Während Artemis einen klassischen griechischen Peplos trug, erschien Acheron in seiner üblichen schwarzen Lederhose und einem schwarzen T-Shirt.
    Bei seinem Anblick erschauerte Astrid - wie immer, wenn er in ihre Nähe kam. Irgendetwas an ihm war bezwingend und unwiderstehlich. Beängstigend. So einen Mann hatte sie noch nie kennen gelernt. Worin seine Faszination bestand, konnte sie nicht definieren. Allein schon seine Anwesenheit genügte, um den Wunsch zu wecken, alle Kleider von seinem Körper zu reißen, ihn auf den Boden zu werfen und jahrhundertelang zu lieben.
    Aber nicht nur seine sexuelle Anziehungskraft wirkte fast überwältigend. Eine unermesslich alte, urtümliche Aura umgab ihn, so machtvoll, dass er sogar den Göttern Angst einjagte.
    Auch Artemis ' Augen verrieten diese Furcht, als sie neben ihm zum Atrium kam.
    Welche Beziehung die bei den verband, wusste niemand. Niemals berührten sie einander, nur selten schauten sie sich an. Und doch besuchte Acheron sehr oft den Tempel der Göttin.
    Auch Astrid hatte er in ihrer Kindheit regelmäßig besucht, mit ihr gespielt und ihr beigebracht, ihre begrenzten Kräfte zu nutzen. Zahllose Bücher aus der Vergangenheit und aus der Zukunft hatte er ihr geschenkt, unter anderem den
    »Kleinen Prinzen«.
    Seit dem Beginn ihrer Pubertät - als sie erkannt hatte, wie begehrenswert er war - kam er nicht mehr zu ihr. Nun hielt er sich fern, eine fast greifbare Wand stand zwischen ihnen.
    »Was verschafft mir die Ehre?«, fragte sie, von Acheron und den Göttinnen umringt.
    »Ich habe einen Auftrag für dich, Liebes«, erklärte ihre Mutter.
    Schmerzlich runzelte Astrid die Stirn. »Haben wir nicht vereinbart, ich dürfte mir ein paar Tage freinehmen?«
    »Ach, komm schon, Astrid ! «, mahnte Artemis. »Ich brauche dich, kleine Kusine, weil ein Dark Hunter beurteilt werden muss«, fügte sie mit einem finsteren Blick in Acherons Richtung hinzu.
    Kommentarlos, ohne eine Miene zu verziehen, beobachtete er Astrid, und sie seufzte. Das wollte sie nicht tun. Zu viele Jahrhunderte lang hatte sie unzählige Leute beurteilt und einen emotionalen
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