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Phoenice wechselt die Seiten (German Edition)

Phoenice wechselt die Seiten (German Edition)

Titel: Phoenice wechselt die Seiten (German Edition)
Autoren: Mattie Phlox
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Robertas Bruder
     
    Dämmerlicht bedeckte die Gräber.  Zwischen den Kieswegen erhoben sich Steintafeln in den verschiedensten Formen und Größen. Kunstvoll in Steine eingelassene Fotos erinnerten an die  Toten. Vergoldete, silberne oder auch schlichte Gravuren und Meißelarbeiten bewahrten ihre Namen für die Nachwelt auf. Kreuze, Blumen, Kerzen, Engelfiguren und zahlreiche Bibelsprüche  auf vielen der  schmucken Steinblöcke trösteten die Besucher und versprachen ihnen Glückseligkeit nach dem Ende.
    Der Grabstein an der Ecke zum 10. Querweg lief in einer gemeißelten Form zweier zum Gebet gefalteter Hände aus. Goldener Schmuck in den fein gearbeiteten Gravuren und den eingerahmten Bildern  wies den Verstorbenen als wohlhabend aus.
    Zwei unauffällige Gestalten bogen vom Haupt- in den Seitenweg ein. Vorbei an steinernen Engeln, vielen frischen Topfpflanzen, noch mehr elektrischen Kerzenlichtern und all den unbekannten Toten marschierten sie zu einem efeubewachsenen, weißen Grabstein. Die Tafel gab die Namen der Begrabenen nicht preis. Dafür zierten sie zahlreiche Inschriften. Die Größte prangte mittig auf dem großen Granitblock. „Unter anderen fällt der eine auf“, gleich darunter lautete eine andere Gravur: „Erst in der Dunkelheit kommt das Leuchten der Kerze zur Geltung.“
    Seufzend blieb Roberta stehen. Sie ließ die Zeilen auf sich wirken, schloss kurz die Augen. Zehn Jahre lag das Massaker nun schon zurück. Obwohl sie gern die Ruhestätte ihres Bruders besuchte, rief sie ihr immer wieder Erinnerungen wach, denen sie sich nicht widmen wollte.
    Dan sah sich um. Sie waren alleine. Seit damals hatte sich keiner der Beteiligten blicken geschweige denn festnehmen lassen.   Doch beide wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie auch den Weg hierher fanden.
    Während Dans Blick wachsam über den Friedhof streifte, beugte sich Roberta über die sieben Kerzen, die unter dem Grabstein standen. Jede einzelne nahm sie in die Hand, brachte sie zum Leuchten und lächelte sie an, so als könne die Person, der sie das Licht widmete, die wärmende Geste spüren. Für einen kurzen Moment blendete Roberta alle anderen Eindrücke aus. Sie konzentrierte sich nur auf den Schein in ihrer Hand. Er leuchtete so hell, als könne er eine letzte Botschaft in eine andere Welt übermitteln. Sie legte all ihre Empfindungen in ihr Lächeln. Der Docht antwortete, in dem er immer noch leuchtete. Dann stellte sie die Kerze wieder in ihr windgeschütztes Gehäuse zurück.
    Nachdem sie die letzte Kerze berührt und entzündet hatte, strich sie liebevoll über die Efeublätter. Dan tippte ihr auf die Schulter. Lange durften sie nicht hier verweilen. Auch die andere Seite wusste, dass heute der zehnte Todestag von Ronald Rombart war. Es bestand immer Gefahr, dass sie beobachtet wurden. Roberta nickte der namenlosen Steintafel und den sieben brennenden Kerzenlichtern zum Abschied zu, bevor sie sich umdrehte, um mit ihrem Arbeitskollegen den Kiesweg zurückzugehen.
    Vor dem Tor, dass das Friedhofsgelände von der restlichen Stadt trennte, saß der Wärter in seinem Häuschen. Dan klopfte an die offenstehende Tür an. Der Mann hinter dem kleinen Schreibtisch sah von seiner Zeitung auf. Er nickte ihnen freundlich zu. Roberta legte ihm ein paar Geldscheine auf den Tisch und verließ den Raum wieder. Für die Aufbesserung seines Gehalts sorgte er dafür, dass der Efeu regelmäßig geschnitten wurde und die Pflanzen genügend Wasser bekamen. Ihren Namen kannte er nicht und er würde auch nicht danach fragen.
     
     
     
     
     
    Im Büro zündete sie eine Kerze auf Sandras Seitentisch an. Phoenice bekreuzigte sich. Sie hatte noch nicht zu fragen gewagt, was an jenem  denkwürdigen Tag geschehen war. Ihre Arbeitskollegen würden es ihr erzählen. Sie wandte sich an Trix, gerade ihre Fische fütterte. Diese machte mit ihren Augenbrauen eine verwunderte Geste. „Warum hast Du das getan?“
    „ Was habe ich gemacht?“
    „ Dich bekreuzigt.“
    „ Ich habe mich bekreuzigt?“
    „ Ja, gerade eben.“
    „ Das muss ein Reflex gewesen sein“. 
    Trix lachte leise: „Ein komischer Reflex. Ich hätte nicht gedacht, dass du dir soviel aus den Lehren der Kirche machst.“
    „Das tue ich nicht!“, protestierte Phoenice.
    „ Ah ja“ kommentierte Trix.
    Phoenice war froh, dass sich Dan zu ihnen gesellte. Während er über Onjis blaugrauen Rücken strich, der seine Position als Bürokater offensichtlich genoss, sprach sie ihn
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