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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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Zielsetzung dürften wir vermutlich keine Differenzen haben.
    Das wird bei dem, was ich Dir jetzt berichten werde, sicher anders sein. Ach, was würde ich dafür geben, jetzt Deinen Gesichtsausdruck zu sehen.
    Ich habe nämlich meine Firma, an der Du Dir immer mehr Anteile erpresst hast, aufgeteilt. Einen Teil für Dich, einen für mich.
    Dummerweise musstest Du mit der Haushaltswarenfabrik vorliebnehmen. Die Warenhäuser blieben in meinem Besitz. Sie sind im Übrigen schon veräußert worden. Vielleicht kannst Du – das notwendige Kleingeld für Anwalts- und Gerichtskosten vorausgesetzt – diese Transaktion ja anfechten. Geld dürftest Du allerdings keines sehen. Wie auch.
    Leider sah ich mich gezwungen, als Geschäftsführer kurz vor meiner Abreise noch einen größeren Kredit zulasten der Fabrik aufzunehmen und mir auszahlen zu lassen. Der Laden dürfte nun völlig überschuldet sein und es wird Dir als Eigentümer nichts anders übrig bleiben, als Konkurs anzumelden. Es sei denn, Du schießt eigenes Kapital zu. Ein Hinweis: Werfe nie gutes Geld schlechtem hinterher.
    Auch hier kannst Du selbstverständlich ein Verfahren wegen Konkursverschleppung gegen mich anstrengen, welches Du vermutlich sogar gewinnen wirst. Dann hast Du einen Titel gegen mich. Aber was stellst Du damit an?
    Meine Immobilien habe ich ebenfalls vollständig verkauft.
    Um es in wenigen Worten zusammenzufassen: Dir bleibt nichts! Wie heißt es doch so schön: Wie gewonnen, so zerronnen. Tröste Dich damit, dass Du immerhin fast sieben Jahre eine satte Dividende kassieren konntest. Aus Geld, das Dir eigentlich nie gehört hat! Deine Erpressung hat sich letzten Endes nicht für Dich gelohnt. Und das freut mich am meisten.
    Darunter stand in schwungvoller Handschrift:
    Wieland Trasse
    69
     
    Dienstag, 24. Oktober 1950
     
    Es war bereits Nacht geworden. Langsam näherte sich der Mann in dem zu weiten Wintermantel der Pforte des Pfarrhauses am Rand der Altstadt von Sterzing. Er hinkte. Der Mann schaute auf seine Armbanduhr. Er hatte eine lange Reise hinter sich und in den letzten Tagen kaum geschlafen. Vom Ruhrgebiet über Köln bis München. Dann ins Allgäu und von dort nach Innsbruck, immer auf der Hut und voller Angst, verhaftet zu werden. Schließlich über den Brenner. Und jetzt Sterzing in Südtirol.
    Die nahe gelegene Pfarrkirche schlug neun. Pauly sah sich um. Niemand zu sehen. Er ging zur Eingangstür des Pfarrhauses und klopfte mit dem Metallschlägel, der die Form eines Fisches hatte, gegen die Tür. Dumpf schallten die Töne durch die Finsternis.
    Schritte näherten sich. Die schwere Eichentür wurde aufgezogen. Im Licht der Flurbeleuchtung stand ein katholischer Priester in Soutane.
    »Grüß Gott«, meinte er fragend und musterte den Fremden skeptisch.
    »Das Kloster in Sterzing sichert den Transfer«, antwortete Pauly mit dem vereinbarten Kennwort.
    Der Geistliche trat vor die Tür und starrte in die Dunkelheit. Als er sicher war, dass Pauly keine Verfolger im Schlepptau hatte, zog er ihn in das Hausinnere.
    »Herzlich Willkommen«, sagte er, als die Tür fest verriegelt war. Dann umarmte er seinen Gast. »Dem Herrn sei Dank, dass Sie unbeschadet angekommen sind. Schon einigen Ihrer Freunde konnte ich mit Gottes Hilfe weiterhelfen.« Er bekreuzigte sich.
    »Ich weiß«, erwiderte der Nazirichter. »Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
    Etwa zur gleichen Zeit verließ ein gut gekleideter, älterer Herr das Hotel Atlantic an der Hamburger Außenalster. Die Räumlichkeit, welche er in den letzten zwei Tagen bewohnt hatte, war auf den Namen Doktor Erwin Landwehr reserviert worden. Doktor Landwehr hatte einige Telefonate geführt, ansonsten seine Suite jedoch nur zum Speisen verlassen. Jetzt reiste er ab. Er gab dem Pagen, der sein Gepäck im Kofferraum eines Taxis verstaute, ein fürstliches Trinkgeld. Dann ließ er sich zu den Landungsbrücken in St. Pauli bringen, um dort in ein Passagierschiff der HAPAG umzusteigen. Die Passformalitäten beim Einchecken dauerten nur Minuten. Seine Papiere waren von erstklassiger Qualität.
    Das Ablegen des Schiffes erlebte der Doktor in seiner luxuriösen Kabine, in der er eine Flasche eisgekühlten Champagner vorfand.
    Als der Dampfer auf der Elbe in Richtung Nordsee unterwegs war, klopfte es an seiner Tür.
    Landwehr öffnete. Im Gang stand ein amerikanischer Offizier. »Herzlich Willkommen an Bord, Mister Trasse«, begrüßte er ihn. »Unser nächster Halt ist New York.«
    In dem
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