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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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an seinen Schreibtisch, stierte auf das Kuvert vor ihm. Was sollte er tun? Er dachte an Lisbeth, an seinen Schwiegervater. Wie würden sie reagieren, wenn sie alle Details über Bertelt hörten? Würden wenigstens sie ihm glauben? Und: Reichten seine Beweise tatsächlich aus, Trasse und Saborski zu überführen? Was, wenn Saborski recht hatte? Wenn sich schlussendlich alle von ihm abwenden würden?
    Goldstein öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches und nahm mit zitternder Hand seine Dienstwaffe heraus. Er entsicherte sie, platzierte sie vor sich auf der Tischplatte und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
    Hörte das eigentlich nie auf?
    Schließlich blickte er zur Uhr an der Wand gegenüber. Langsam, aber unaufhaltsam kroch der Sekundenzeiger weiter. Ihm blieben noch sieben Minuten. Was, in Gottes Namen, sollte er nun tun? Was sollte er allein schon gegen diese Mauer aus Lug und Trug unternehmen?
    Kurz vor Ablauf der gesetzten Zeit traf er seine Entscheidung. Goldstein sicherte die Waffe und legte sie zurück an ihren Platz. Er würde mit dem Wissen weiterleben müssen, erneut versagt zu haben.
    Tränen liefen über sein Gesicht. Der Hauptkommissar griff zum Füller und formulierte sein Gesuch zur vorzeitigen Entlassung aus dem Polizeidienst.
    Dann riss er ein Zündholz an und hielt es an eine Ecke des Umschlags, der seinen Bericht enthielt. Als die Flammen höherschlugen, ließ er ihn einfach auf den Boden fallen und sah versteinert zu, wie die Wahrheit verbrannte.
    Nachbemerkung…
     
    Der Entnazifizierungs-Grundausschuss für die Stadt Herne, der erstmalig in Kapitel 3 erwähnt ist, tagte zum letzten Mal am 8.4.1949. Generell wurde die Arbeit der Ausschüsse in NRW am 5. Februar 1952 beendet, als das Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung verkündet wurde. Ich habe den Ausschuss in Herne auch noch 1950 arbeiten lassen.
    Johann Bos, alias »Baron von Hohenfeld«, der in einigen Kapiteln auftaucht, hat wie sein Partner Krönert 1947/48 in Herne gelebt, im Central Café residiert und auch einen Teil der beschriebenen Verbrechen begangen. Er trat allerdings nicht unter seinem richtigen Namen, sondern als Hans Hoffmann auf. Im Sommer/Herbst 1950 wurde ihm vor dem Landgericht Arnsberg der Prozess gemacht. Das Landgericht verurteilte ihn Mitte Oktober 1950 zu fünf Jahren Zuchthaus und zu einer Geldstrafe von 10.000 DM. Artikel über Johann Bos sind in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 4.10.1950 und diversen Ausgaben verschiedener Osnabrücker Zeitungen, dem Geburtsort von Bos, nachzulesen.
    Die in Kapitel 4 genannte Feldstraße in Herne heißt heute ›Am Hauptfriedhof‹.
    Die in Kapitel 8 und später erwähnte Fluchtroute für Nationalsozialisten gab es tatsächlich. Sie wurde bereits 1943 von dem faschistischen kroatischen Priester Krunoslav vorbereitet. Unterstützt wurde er durch den österreichischen Bischof Alois Hudal. Bevor der Militärgeheimdienst CIC der USA diese Route ebenfalls nutzte und sie ›ratline‹ (Rattenlinie) nannte, wurde sie als ›Klosterroute‹ bezeichnet.
    Die im Kapitel 13 angeführte Denunziation unter den Brüdern Müller und der sich daraus ergebende Prozess vor dem Geschworenengericht in Duisburg wurde in der WAZ vom 26.9.1950 beschrieben. Allerdings habe ich den Nachnamen der Beteiligten geändert. Der Brief des zum Tode Verurteilten an seine Frau ist wörtlich aus der WAZ zitiert, das Schreiben der Mutter an ihren Sohn ist dagegen erfunden, ebenso einer der Vornamen. Einige Zitate in dem Brief der Mutter stammen aus dem o. g. Zeitungsartikel.
    In Kapitel 21 wird ein Streit zwischen Peter Goldstein und seinem Schwiegervater beschrieben, der sich an dem Verbot von FDJ-Versammlungen entzündet. Dieses Verbot wurde am 5. September 1950 im Rahmen eines Runderlasses durch den Innenminister NRW ausgesprochen. Einige der Bemerkungen, die ich Peter Goldstein in den Mund gelegt habe, wurden von mir aus diesem Erlass zitiert.
    Die nicht farbechten Polizeiuniformen, von denen im Kapitel 26 die Rede ist, gab es tatsächlich. Aus Materialmangel wurden in der Britischen Zone die ursprünglich hellgrünen Uniformen dunkelblau eingefärbt. Aber die Farben waren nicht wasserfest. Und so hinterließen die Beamten im Regen in der Tat blaue Pfützen.
    Wie im Kapitel 35 angedeutet wird, gab es in den meisten westeuropäischen Staaten in der Nachkriegszeit bis zum Ende der Achtzigerjahre eine Gruppierung namens »Stay Behind Organisation«, die in Deutschland zunächst von
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