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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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wären …«
    Der Kriminalrat warf Goldstein einen vernichtenden Blick zu und öffnete die Tür zum Verhörzimmer. »Sie können gehen, Herr Glittner. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.«
    Als Glittner an Goldstein vorbei in den Flur trat, lächelte er spöttisch.
    »Ihre Zigarettenmarke ist mir zu billig. Aber danke für das Angebot.«
    Eine Stunde danach stürmte Markowsky in Goldsteins Büro, einen Aktenordner in der Hand, den er auf den Schreibtisch schmiss.
    »Volltreffer! Wir haben ihn.«
    Goldstein hob müde den Kopf. »Schön. Nur leider zu spät.« Er berichtete vom Eintreffen des Anwalts und Glittners Freilassung.
    »O nein!« Die Euphorie seines Kollegen war verflogen.
    »Erzähl mir trotzdem, was mit diesem Glittner los ist.«
    »Er heißt nicht Glittner, sondern Walter Stirner. Wir hatten seine Fingerabdrücke in der Bochumer Kartei. Stirner wird mit Haftbefehl gesucht. Er war Mitarbeiter im Referat Eichmann, soll die Erschießung polnischer Juden beaufsichtigt haben.«
    »Um Gottes willen. Und ich musste ihn laufen lassen!«
    »Außerdem sind beide Faserspuren identisch. Stirner war bei dem Attentat dabei. Dann die Fußspuren. Es waren zwei. Du erinnerst dich?«
    »Ja.«
    »Die mit der Größe vierundvierzig passt zu Krönert. Stirner hat sechsundvierzig, wie der andere Abdruck, den wir am Tatort gefunden haben. Ein zusätzliches Indiz.«
    »Nur dass uns diese Beweise jetzt nicht mehr viel nützen werden. Glittner, äh, Stirner dürfte sich bereits abgesetzt haben. Der Kerl ist garantiert nicht so dämlich und bleibt weiter in Herne. Aber trotzdem.« Goldstein griff zum Hörer. »Ich werde ihn zur erneuten Fahndung ausschreiben. Vielleicht haben wir ja Glück.«
    »Glaubst du daran?«
    »Nein.«
    68
     
    Dienstag, 24. Oktober 1950
     
    Goldstein hatte seine Niederlage noch nicht verkraftet, als sein Telefon schellte. »Ja«, blaffte er in den Hörer, unfreundlicher als beabsichtigt.
    »Udo Bauer.«
    Die Stimme kam dem Kommissar bekannt vor. »Ja?«
    »Ich war vor etwa einem Monat bei Ihnen. Wegen meines Mieters. Knut Lahmer. Sie erinnern sich?«
    »Ja. Natürlich.«
    »Nun, meine Frau und ich sind heute Morgen aus dem Urlaub zurückgekommen. Bei uns ist eingebrochen worden.«
    Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Nur weil Bauer ihn kannte, wurde er jetzt zum Adressaten aller denkbaren Vorfälle. Wehre den Anfängen, dachte Goldstein und schnaubte in den Hörer: »Was habe ich damit zu tun? Wenden Sie sich an meine Kollegen vom Einbruchsdezernat. Die sind für so etwas zuständig.«
    Bauer schwieg. Der Anpfiff wirkte. Trotzdem wagte der Vermieter einen erneuten Vorstoß: »Ich meine ja nur, der Täter hat die Wohnung Lahmers aufgebrochen, nicht unsere. Und gestohlen wurde ebenfalls nichts, soweit ich das feststellen konnte. Es wurde alles durchwühlt. Ist das nicht seltsam?«
    Das fand Goldstein auch. Und ihm fiel die Aussage Bos’ wieder ein, der auf seine Frage, wer in die Wohnung Lahmers eingestiegen sei, geantwortet hatte: In der Feldstraße? So, als ob es zwei Antwortmöglichkeiten gegeben hatte. Wieso war ihm das nicht sofort aufgefallen? Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Was war er doch für ein Idiot. Zwei Wohnungen. Zwei Einbrüche. Beide ausgeführt von Krönert, der sich als Schmidt ausgegeben hatte, um an Lahmers Schließfach zu kommen. Seine Gedanken überschlugen sich. Lahmer lebte mit zwei Identitäten. In der Bank war er aber nur unter dem Namen Schmidt bekannt gewesen. Was, wenn Lahmer noch ein anderes Schließfach gehabt hätte? Unter seinem richtigen Namen? Wenn er mit seiner Annahme richtig lag, hatte Lahmer dieses Depot vermutlich bei einem anderen Institut, denn sonst wäre seine Doppelexistenz schnell aufgeflogen und unangenehme Fragen wären die Folge gewesen. Nein, wenn es überhaupt ein zweites Schließfach gab, war dieses bei einer anderen Bank. Fragte sich nur, bei welcher.
    »Ich komme«, sagte er zu Bauer.
    Lahmers früheres Domizil war völlig auf den Kopf gestellt. Goldstein hatte die Wohnung ja selbst oberflächlich durchsucht und nichts gefunden. Krönert aber war gründlicher vorgegangen. Goldstein fahndete diesmal nach etwas Besonderem. Einem gefalteten Zettel mit einer Schließfachnummer beispielsweise. Oder einem Schlüssel. Vielleicht auch einem Schreiben wie in Lahmers anderer Bleibe.
    Nach zweistündiger, intensiver Suche war Goldstein kein Stück weitergekommen. Er stellte einen Stuhl in die Mitte des Wohnzimmers, setzte sich und
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