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0109 - Broadway-Krieg

0109 - Broadway-Krieg

Titel: 0109 - Broadway-Krieg
Autoren: Broadway-Krieg
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Offen gestanden, ich fand das Theater ziemlich widerlich, dass um Cress Hollyway veranstaltet wurde.
    Da stand er in der Empfangshalle des La-Guardia-Flugplatzes, ein stämmiger breitschultriger Mann im viel zu hellen Sommeranzug und zeigte in breitem Grinsen sein vermutlich falsches Gebiss. Um ihn quirlten ein halbes Hundert Reporter, bestürmten ihn mit Fragen und blitzten ihn mit ihren Fotoapparaten an.
    Holly way schien großen Spaß an dem Trubel zu haben. Er drehte seinen quadratischen, fast kahlen Schädel nach allen Seiten, legte die kurzen, breiten Hände ineinander und schüttelte sie grüßend nach Boxerart über dem Kopf.
    »Wie alt ist er?«, fragte Phil neben mir.
    »Weit über sechzig. Er war vierzig Jahre alt, als er aus den Staaten ausgewiesen wurde, und das ist länger als zwanzig Jahre her.«
    Phil schüttelte den Kopf. »Und jetzt feiern sie seine Rückkehr und nennen ihn einen der letzten großen Gangster der zwanziger Jahre. Gibt’s etwas Verrückteres als Amerikas Zeitungen?«
    »Ja«, antwortete ich und lachte. »Amerikas Zeitungsleser. Komm, wir wollen uns anhören, was Cress den Zeitungsboys für Futter anbietet.«
    Das Begrüßungsgewitter aus Blitzlichtern war beendet. Jetzt prasselten die Fragen auf Hollyway ein. Er hielt ihnen breitbeinig stand.
    »Cress, Sie haben die letzten zwanzig Jahre in Venezuela verbracht.«
    »Vierundzwanzig Jahre. 1935 konnte der Polizeipräsident mein Gesicht nicht mehr sehen und warf mich aus den Staaten.«
    »Wovon haben Sie in Venezuela gelebt?«
    »Ich hatte mir ein paar Dollars auf die Seite gelegt.«
    »Legales oder illegales Geld?«
    Cress’ Gesicht platzte beinahe vor Grinsen.
    »Sind Sie von der Steuer oder von einer Zeitung, Mann?«
    Die Reporter lachten. Ein anderer fragte: »Well, Cress, Sie waren um 1930 herum einer der großen Bosse, ein Kollege von Al Capone, Lucky Luciano und…«
    »Ich war nicht so groß wie Capone«, unterbrach Hollyway. »Al war der Größte von uns allen.«
    »Immerhin waren Sie ’ne große Nummer, Cress. In welcher Branche haben Sie gearbeitet?«
    »Schnaps natürlich. Das taten wir alle in jenen goldenen Zeiten der Prohibition.«
    »Und Ihr Markt?«
    »Manhattan. Das genügte, um einen Mann zu ernähren.«
    »Es gab Differenzen mit der Konkurrenz, nicht wahr?«
    »In jedem Geschäft gibt’s Ärger mit der Konkurrenz.«
    »Und wie haben Sie die Differenzen behoben?«
    Hollyway machte eine eindeutige Handbewegung, aber er sagte: »Durch gutes Zureden.«
    »Man spricht davon, dass Sie sieben Konkurrenten aus dem Wege räumten, Cress. Haben Sie diese Leute selbst erledigt, oder haben Sie Ihre Männer damit beauftragt?«
    Hollyways Gesicht verlor nichts von seinem vergnügten Ausdruck bei dieser furchtbaren Frage.
    »Hören Sie, mein Junge. Die gleiche Frage hat vor mehr als zwanzig Jahren der Staatsanwalt an mich gestellt, und ich konnte sie ihm nicht beantworten. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich sie auch Ihnen nicht beantworte. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich bin es gewohnt, meine Arbeit selbst zu tun.«
    Ein anderer Journalist brachte eine Frage an: »Hollyway, warum sind Sie ausgewiesen worden?«
    »Steuerhinterziehung! Sie bekamen heraus, dass ich mehr Geld ausgab, als ich versteuerte. Sie hetzten mir ihre Füllfederakrobaten auf den Hals, und die rechneten mir eine Steuernachzahlung von zwei Millionen Dollar aus. Ich konnte nicht zahlen und wurde zu acht Monaten verknackt. Damit war ich vorbestraft, und weil ich nicht im Land geboren bin, konnte man mir meine Bürgerrechte aberkennen und mich als unerwünschten Ausländer abschieben. Na ja, ich ging ganz gerne. Mit der Aufhebung der Prohibition war das Alkoholgeschäft ohnedies am Ende.«
    »Und warum sind Sie zurückgekommen, Cress?«
    Das Grinsen erlosch. Er legte eine Hand auf die Stelle, an der sich vermutlich auch bei ihm das Herz befand.
    »Ich bin ein alter Mann«, antwortete er pathetisch. »Volle Sechsundsechzig Jahre habe ich auf dem Buckel. In diesem Alter beginnt man an das Sterben zu denken. Ich will in diesem Land sterben, das ich als meine Heimat betrachtet habe und immer betrachten werde.«
    Wir Amerikaner sind große Patrioten. Selbst unsere Gangster finden patriotische Töne, wenn es gerade gut passt.
    »Und die Steuer?«, fragte ein vorwitziger Journalist dazwischen.
    Hollyway lachte schon wieder.
    »Wir haben uns geeinigt. Ich habe ein bisschen gezahlt, und sie haben eine Menge von der Rechnung gestrichen. Das Oberste Bundesgericht
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