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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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»Was erlauben Sie sich? Soll das hier ein Verhör sein? Ich muss Sie wohl daran erinnern, dass ich Ihr Vorgesetzter bin.«
    Dann beruhigte er sich und sprach mit scharfem Tonfall weiter: »Ich vermisse die unterschriebene Zeugenaussage dieses Johann Bos.«
    »Sie liegt mir noch nicht vor. Aber jedes Wort, was in meinem Bericht steht, entspricht der Wahrheit.« Goldsteins Stimme war unsicher.
    Wieder das spöttische Lachen. »Wahrheit, Herr Hauptkommissar, ist das, was Sie beweisen können. Alles andere sind Vermutungen. Sie sollten das eigentlich wissen. Und die Aussage von Konrad Müller?«
    »Er unterzeichnet in den nächsten Tagen.«
    »Das wird schwerlich möglich sein.« Saborski sah ihm triumphierend ins Gesicht. »Ihr Zögling ist heute Morgen verstorben. Eine überraschende Infektion.«
    Goldstein erstarrte. Ihm war, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Konrad Müller war verstorben? Aber er war doch schon auf dem Weg der Besserung. Wie konnte das …
    »Ich entnehme Ihrem Gesichtsausdruck, dass Sie darüber nicht informiert waren.«
    »Woher …«, schluckte Goldstein.
    »Woher ich das weiß? Doktor Mantrop hat mich in Kenntnis gesetzt. Er ist im Übrigen ein alter Freund von mir. Das ist Ihnen ebenfalls neu, wie ich sehe.«
    Goldstein wurde schwindelig. Es schien, als ob Trasse über jeden seiner Schritte informiert gewesen war. Musste Konrad Müller sterben, weil er ihn quasi ans Messer geliefert hatte? Goldsteins Hände wurden feucht.
    »Aber lassen wir das. Sie haben zwei Möglichkeiten«, sagte Saborski kalt. »Erstens: Sie vernichten diesen Bericht …«
    Goldstein wollte sich noch nicht geschlagen geben. »Das tue ich nicht.«
    »Und Sie bitten darum, aus gesundheitlichen Gründen pensioniert zu werden. Ich werde Ihr Anliegen befürworten. Sie müssen keine finanziellen Einbußen hinnehmen.«
    »Nein.«
    »Zweitens«, fuhr Saborski ungerührt fort. »Sie bleiben bei Ihrer Aussage.«
    »Selbstverständlich.« Das klang nicht sehr überzeugend.
    »Ihre Entscheidung. Sie erinnern sich doch sicher an den Fall Erwin Bertelt?«
    Goldstein Mund wurde noch trockener. Er hatte Bertelt damals verhaftet. In Gestapohaft war er von den Nazischergen gefoltert worden.
    Auf dem offiziellen Totenschein jedoch hatte als Todesursache ›Kreislaufschwäche‹ gestanden. Goldstein wusste es besser, hatte aber immer geschwiegen. Musste er nun den Preis für seine Feigheit zahlen?
    »Ja«, presste er hervor.
    »Sie haben ihn nach seiner Verhaftung im Gefängnis verhört.«
    Woher wusste Saborski davon? »Ja. Aber ich wollte nur …«
    »Die Wachtmeister, die Ihnen den Jungen zugeführt haben, versichern an Eides statt, dass der junge Mann in körperlich unversehrtem Zustand zum Verhör gekommen war.« Er holte zwei eng beschriebene Blatt Papier aus seiner Schreibtischschublade und hob sie hoch. »Als die beiden Beamten Bertelt aus Ihrer Obhub abholten, war er auf das Brutalste zusammengeschlagen und mehrere seiner Finger gebrochen.«
    Goldstein wurde blass. Ihm war, als ob eine eiskalte Hand sein Herz umklammerte. »Das ist eine unverschämte Lüge.«
    »Sagen Sie. Mir liegen andere Aussagen vor.« Saborski wedelte mit den Unterlagen. »Ist dieser Fall eigentlich in Ihrem Entnazifizierungsverfahren angesprochen worden?« Er machte eine Pause. »Nein. Das sehe ich Ihnen an. Was meinen Sie passiert, wenn das bekannt wird? Zumindest werden Sie unehrenhaft aus dem Dienst entlassen. Und weg ist die Pension. Vielleicht finden Sie sich aber auch vor Gericht wieder. Und Ihre Freunde in der Teutoburgia-Siedlung sind sicher auch nicht gerade erfreut, wenn Sie hören, wie Sie mit dem armen Erwin umgesprungen sind. War er nicht ein Nachbarsjunge?«
    »Das wagen Sie nicht«, versuchte er ein letztes Mal, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden.
    »Wollen Sie es darauf ankommen lassen?« Saborskis Blick war schneidend. »Seien Sie versichert, dass es nur einen geben wird, der auf der Strecke bleibt. Und das, Herr Hauptkommissar, werden Sie sein. Sie können nichts, aber auch gar nichts beweisen.«
    Goldstein erfasste Panik. Saborski hatte recht. Die Geister der Vergangenheit in einer Mixtur aus Lügen und Halbwahrheiten hatten ihn eingeholt.
    »Ich gebe Ihnen zehn Minuten. Und jetzt verschwinden Sie.« Er schob die Papiere zurück in den Umschlag und drückte ihn Goldstein in die Hand. »Vergessen Sie Ihren verdammten Bericht nicht.«
    Wie betäubt kehrte der Hauptkommissar in sein Büro zurück. Er setzte sich
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