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Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)

Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)

Titel: Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
Autoren: Bob Mayer , Jennifer Crusie
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Kapitel 1
    Zwanzig Minuten vor Mitternacht saß Mary Alice Brannigan auf dem Dach eines Karussells des Vergnügungsparks Dreamland und betrachtete ihr Werk im Lichtschein der kleinen Lampe an ihrem gelben Schutzhelm.
    Es war ihr gut gelungen.
    FunFun , der rothaarige hölzerne Clown, der mit gekreuzten Beinen neben ihr auf der Spitze des Daches saß, war komplett restauriert und erstrahlte wieder in altem Glanz. Von allen Clowns hier im Park, einschließlich der mit Fun -Clownköpfen gekrönten Abfallbehälter und des zweieinhalb Meter großen eisernen Fun -Clowns am Eingang von Dreamland , war ihr dieser der liebste: Er strahlte überwältigende Fröhlichkeit aus, hatte mit einer gelb behandschuhten Hand seinen blau-grün gestreiften Mantel zur Seite geschoben, um stolz seine orangefarben und gold karierte Weste zu zeigen, und streckte die andere Hand über den Kopf in die Höhe; einst hatte er darin eine goldene Panflöte gehalten, doch er hatte sie schon vor langer Zeit verloren.
    »Keine Angst, mein Guter«, meinte sie beruhigend, »ich habe deine Flöte hier.« Dabei klopfte sie mit der Hand auf ihre Arbeitstasche.
    Er grinste schief auf sie hinab, oder zumindest auf den Boden. Als ein Luftzug mit all der beißenden Kälte einer Ohio-Oktobernacht sie traf, schlang Mary Alice Brannigan, kurz Mab genannt, ihren formlosen Malerkittel aus Leinen enger um sich und ließ den Blick über ihren Park schweifen. Nun ja, es war nicht ihr Park, aber sie hatte ihn schön restauriert, selbst wenn er jetzt für Halloween wegen der Zellophantüten, die um alle Laternen gewickelt waren, in diesem scheußlichen Orange schimmerte und die blattlosen Baumäste in der gruseligen Beleuchtung wie knochige Hände wirkten. Monatelang hatte sie recherchiert und geplant, Studenten bei Hilfsarbeiten angeleitet und die entscheidenden Detailarbeiten mit eigener Hand ausgeführt, und nun war es geschafft: Sie hatte Dreamland wieder in ein wahres Schmuckstück verwandelt.
    Wenn ihre Mutter sie jetzt hätte sehen können, hätte sie der Schlag getroffen.
    Ich hab’s wirklich endlich geschafft , dachte Mab zufrieden. Da musste sie erst neununddreißig Jahre alt werden, aber nun war sie nicht nur im Park, nein, sie hatte ihn sogar gerettet. Sobald ich mit dem Wahrsager-Automat fertig bin, ist dieser Park wieder so, wie er ursprünglich einmal war. Und ich gehöre auch hierher, ich habe seine Seele gerettet.
    Und das Schönste dabei war, das alles in einer friedvollen Nacht betrachten zu können, ohne irgendwelche …
    »Sind Sie da oben, Mab?«, schrie Glenda von unten.
    … Leute in der Nähe, die einen dabei störten.
    »Machen Sie Schluss damit, was immer Sie da auch tun, und kommen Sie runter«, rief Glenda, und der ermunternde Ton in ihrer Stimme klang ebenso metallen-platinhell wie ihr Haar, und ebenso echt. »Wir begleiten Sie zurück zum Dream Cream , damit Sie ins Bett kommen. Sie brauchen Ihren Schlaf, Schätzchen.«
    Mab knirschte mit den Zähnen. Kaum erlaubte sie sich einmal einen Augenblick, um ihr Werk zu bewundern, schon tauchte wieder jemand auf und schrie sie an.
    Sie zog ihre Arbeitstasche näher zu sich heran und nahm die Panflöte heraus, sorgsam darauf achtend, dass sie keines der fünf kleinen Rohre zerkratzte, die zu einem Stück zusammengegossen waren. Dann fischte sie eine Tube Schnellkleber aus der Tasche und erhob sich vorsichtig. Sie streckte sich, um die Panflöte in FunFuns leerer Hand festzukleben, und legte dabei den Kopf in den Nacken, damit der Lichtstrahl ihrer Stirnlampe die Hand traf.
    Ein kleiner schwarzer Rabe kam herangeflattert und landete auf dem Kopf des Clowns.
    »Hau ab, Frankie«, flüsterte sie dem Vogel zu und versuchte sachte, ihn zu verscheuchen, ohne dabei die Flöte oder den Klebstoff fallen zu lassen oder selbst ins Leere zu stürzen. Frankie war zwar klein geraten, aber er besaß scharfe Krallen und einen mörderischen Schnabel, vor dem sie einen gesunden Respekt hatte.
    Frankie flatterte auf und ließ sich dann auf der emporgestreckten Hand des Clowns nieder; dabei krächzte er Mab an, und es klang rau wie ein Reibeisen, mit dem man über eine rostige Eisenstange scheuerte.
    Aschenputtel hatte Rotkehlchen, die ihr das Haar ordneten , dachte Mab. Ich dagegen habe einen Raben, der meine Arbeit sabotiert .
    Mab hörte von unten die heisere Stimme von Glendas Freundin Delpha wie ein Echo von Frankies Gekrächze: »Sie ist da oben, Glenda. Frankie weiß es.«
    »Ich weiß es auch«, erwiderte
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