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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia
Autoren: Robin Felder
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bevor sie mich zu der auch total netten Dame vom Make-up begleitet, und wenn was is, dann muss ich nur nach ihr, der Vivienne, verlangen. Wie fürsorglich. Kleingeistigkeit versucht sich an Großherzigkeit. Das geht immer in die Hose.
    Vor einem hell erleuchteten Spiegel werde ich von einer apart gekleideten, aber verhärmten Möchtegernjugendlichen (mindestens 50) zurecht geschminkt. Ihr eigenes dickes Makeup teilt jedem mit, dass sie immer noch vom Ehrgeiz beseelt ist, spitzenmäßig auszusehen. Tut sie für mich auch, bezaubernde Halsfalten, Altweibermund. Ganz nach meinem Geschmack. Aber seit fünfzehn Jahren schon nicht mehr für alle anderen Männer.
    Die Puderquaste, die sie mir ins Gesicht klatscht und mich damit abtupft, ist bestimmt herpesverseucht von den Vorgängern auf meinem Sessel. Aber ich krieg ja keinen Herpes. Sieist fertig, nestelt ein bisschen an mir rum, und ich winke ab, da ich mir den Sitz des Krawattenknotens nicht verderben lassen möchte.
    Als ich mich wieder in mein Kabuff begebe, um dort darauf zu warten, ins TV-Studio gerufen zu werden, begegne ich auf dem Gang zuerst der schlechtesten Schauspielerin Deutschlands, die die vergangenen Jahre konsequenterweise die meisten Spielfilmsendeminuten aufweisen konnte, öffentlich-rechtliche, und kurz danach laufe ich ein paar gewöhnlichen Zuschauern über den Weg, die gerade ihr Meet & Greet mit der talentfreien Mimin hinter sich gebracht haben und noch ganz aufgeregt und überdreht ob dieser historischen Begegnung sind. Sie haben sicher nichts weiter als Small Talk zwischen Star und Fan betrieben, mit einem Aussagegehalt von Minus Tausend und werden noch die nächsten zehn Jahre davon reden, wie sie Christine N. kennengelernt haben und fast ausnahmslos so was sagen wie: Sie ist eine richtig nette Frau. Patent, freundlich, ein Mensch wie du und ich.
    Ich lächle das Pack im Vorübergehen an, sie erkennen mich, »Held der Stunde«, und ich frage mich: Welcher Typus Mensch geht als Zuschauer in Talkshows? Zumindest keiner über der Kategorie F. Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten.
    In meiner Garderobe erledige ich noch einige Telefonate und bediene mich aus dem gläsernen Obstkorb, in dem sich noch vorhin frische Früchte befanden, und jetzt nur noch Apfelstumpen, Mandarinenschalen und leer gezupfte Traubenstiele. (Werde ich mit Blähungen büßen.)
    Man ruft mich, die Aufzeichnung beginnt, ich werde der dritte Gast sein, bitte auf diesem Stühlchen neben dem Bühnenzugang Platz nehmen, dauert nicht mehr lang, hier auf dem Monitor können Sie die Sendung verfolgen.
    Markus Lanz hat tatsächlich vorhin bei mir reingeschaut.Meine Güte, sieht der gut aus! Das mag ich gar nicht. Und einen klugen Eindruck machte er auch noch. Das mag ich erst recht nicht. Ich vergebe ungern ein A, weil ich mich dann immer mit dem Rätsel konfrontiert sehe, welche Kategorie
ich
eigentlich bin.
    Die Sendung hat begonnen, die Intromusik klingt aus. Auf dem Monitor beantwortet ein Promipaar die Frage nach Kindern mit »Wir üben fleißig«. Hahaha. O Mann. Trotzdem ein Lacher.
    Ein Zuschauer beginnt erst zu klatschen, als er merkt, dass die Kamera auf ihn draufhält.
    Der männliche Teil des Gästepärchens ist Industriemagnat und auf die Frage des Moderators, der vor der Kamera fast noch besser aussieht, was mich fast noch mehr ankotzt, also auf die Frage von Markus Lanz an den Manager, was er denn glaubt, dass wohl seine Mitarbeiter über ihn sagen und denken würden, gibt er die schlimmste Antwort, die überhaupt möglich ist. »Das müssten Sie eigentlich meine Mitarbeiter fragen.« Er sagt es mit einer Jovialität, die einem generösen Verzicht auf Selbstherrlichkeit entspringt. Denn freilich könnte eine aufrichtige Antwort ausschließlich positiv ausfallen. Das ist wie: Was schätzt Ihre Frau an Ihnen? Das müssen Sie meine Frau fragen. Was meinen Sie, macht Ihren Erfolg aus? Das müssen Sie meine Fans fragen.
    Als Lanz sich der Gattin des eitlen Fatzkes zuwendet, die bislang die ganze Zeit auf ihren Studiomonitor geschielt und immer wieder ihr Haar gerichtet hat, erfahren wir, dass sie ein Buch über Wiedergeburt geschrieben hat. Inspiration dafür war ihre eigene historische Vergangenheit, in einem ihrer früheren Leben. Da lebte sie am Hofe einer Königin vor circa dreihundert Jahren, als Gräfin von und zu Meschugge. Als eine Adelige also – selbstverständlich. Im Falle tatsächlicher Reinkarnation wäre
ich
in einem dieser früheren Leben mitziemlicher
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