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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub
Autoren: Tanja Pleva
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einem zum anderen. Leider verstand sie nicht, worüber die beiden sich unterhielten, aber es schien nichts Gutes zu sein. Sie drückte Sams Hand etwas fester und er erwiderte den Druck.
    „Lea, mein Partner wird vermisst. Wo könnte man ihn hingebracht haben?“
    „Diese Klinik ist die naheliegendste zum Park, aber …“
    Sam wollte kein aber hören. Er presste die Kiefer fest zusammen. Ohne Lea zu sehen, wusste er genau, an was sie gerade dachte.
    „Wo bringt man die Toten hin?“, fragte er leise und hoffte, dass es niemand gehört hatte. Eigentlich wollte er gar keine Antwort darauf bekommen. Ein tiefes Ein- und Ausatmen aus der Ecke, wo er Brenner vermutete, sagte ihm, dass nicht nur er den Gedanken gehabt hatte.
    „Ich rufe gleich einen Freund an, er wird uns vielleicht weiterhelfen können“, sagte Lea zuversichtlich. „Wenn Juri auch von dem Hauch des Teufels etwas abbekommen hat, kann es durchaus sein, dass er irgendwo herumirrt und man ihn für einen verrückten Drogenjunkie hält.“
    Hauch des Teufels? Hatte das nicht auf dem Blatt Papier gestanden? Für ihn existierte der Teufel nicht, weshalb er das für übertriebenen spirituellen Unsinn gehalten hatte. War die Prophezeiung vielleicht gar nicht für ihn, sondern für Juri bestimmt gewesen?
     
     

65.
     
     
     
    Es dauerte nicht mal eine Stunde, bis sich Leas Freund mit Neuigkeiten zurückmeldete. Im Morgue, in der Leichenhalle im Zentrum, waren drei Tote eingeliefert worden, auf die die Beschreibung von Juri passte. Alle drei hatte man ohne Ausweispapiere auf der Straße gefunden und dort abgeliefert.
    Sam konnte es nicht fassen, dass das Schicksal ihm so übel mitspielen wollte. Lea kannte Juri nicht, sie würde ihm nichts nützen und er selbst war zu schwach und konnte obendrein nichts sehen. Also blieb diese undankbare Aufgabe Brenner und Estelle überlassen.
    „Ich habe einen gut bei Ihnen, O’ Connor. Juri sollte nicht hier sein. Ich hatte ihm ausdrücklich verboten …“
    „Ich komme mit“, unterbrach Sam seinen Vorgesetzten und schwang unbeholfen seine Füße aus dem Bett. „Machen Sie mich von den Kabeln hier los, Lea.“
    „Ich …“
    „Wollen Sie mir noch mehr Ärger machen? Sie bleiben hier in Ihrem Bett und rühren sich ja nicht vom Fleck“, sagte Brenner aufgebracht.
    „Ich bin es Juri schuldig.“
    „Sie bleiben!“
    „Ich kündige.“
    Einen Moment war Stille im Raum. Die beiden Frauen sahen von einem zum anderen. Die Stimmung war innerhalb von Sekunden auf den Nullpunkt angelangt. Schließlich zog sich Sam die Kanüle selbst aus der Vene und tastete sich am Bett entlang.
    „Das habe ich vor einiger Zeit schon mal gehört. Ach nein, da hieß es, ich nehme unbezahlten Urlaub. Und was ist daraus geworden?“, brüllte Brenner.
    „Ich möchte trotzdem mit“, sagte Sam starrsinnig und stand nun mitten im Zimmer in seinem Krankenhauskittel.
    „Wollen Sie sich durch die Leichenhalle tasten, oder wie stellen Sie sich das vor?“
    Estelle griff Sam unter die Arme und stützte ihn.
    „Ich will …“ Sam wusste selbst nicht, warum er mitgehen wollte. Es war nur so ein Gefühl. „Ich will einfach nur dabei sein, falls …“
    „Sie sind ein verdammter Sturkopf, O’ Connor. Ziehen Sie sich wenigstens was über Ihren nackten Hintern.“
     
    Unten vor der Klinik wartete Juan Carlos auf die drei Deutschen. Die Fahrt ging Stop and Go durch den Feierabendverkehr und die ganze Zeit lief im Radio eine Sendung, die sich „Stimme des Himmels“ nannte. Gott ist immer für dich da. Du musst nur fest an etwas glauben, dann wird es in seinem Willen geschehen. Gib Gott die Chance, dir zu zeigen, dass er für dich da ist.
    Das war der Moment, als Sam im Stillen anfing, mit Gott zu reden. Okay, du hast mir in den letzten Jahren so ungefähr alles genommen, was mir lieb und teuer war. Deshalb bin ich auch verdammt wütend auf dich. Ich bitte dich dieses Mal, dich gnädig zu zeigen. Lass es dem Jungen gut gehen. Bitte. Irgendwie kam er sich albern vor, auf der anderen Seite war es sein innerster Wunsch und den zu äußern fand er mehr als menschlich. Egal wem gegenüber. Als Kind hatte er abends immer gebetet, aber er konnte sich an kein einziges Gebet von damals mehr erinnern.
    Es kam ihm vor wie eine halbe Ewigkeit, bis der Wagen endlich stoppte und der Motor ausging.
    „Was soll das denn hier sein?“, hörte er Brenner sagen.
    „Die öffentliche Leichenhalle“, antwortete Juan Carlos.
    Brenner brummte irgendetwas
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