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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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dieser Falangist für mich darstellt, dem die Gerechtigkeit schnuppe ist und der mit Eladio gemeinsame Sache machen wird, sobald er verstanden hat, dass er sein Material für das wahre Ende des Romans beisammen hat.
    »Frag deinen Kumpel, wer sie auf dem Dachboden seinesHauses versteckt hat, nachdem sie aus seiner Eisenwarenhandlung gestohlen worden ist«, fordere ich Luciano auf.
    »Wo ist meine Frau?!«
    Das ist weniger eine Frage als ein wütender Aufschrei. Eladio stürzt hinaus in den Flur und stürmt, laut ihren Namen rufend, von Raum zu Raum.
    Als er nach einer Weile mit schreckstarrem Gesicht zurückkehrt, bricht der Falangist in wieherndes Gelächter aus.
    »Ist sie dir etwa durchgebrannt, und deshalb ist der kleine Buchhändler hier? Weil sie dich mit ihm betrügt?«
    »Sie ist schlicht und einfach geflohen. Vor ihm.« Ich zeige auf den Zwilling. »Die Kette spricht eine deutliche Sprache: Sie weiß, dass er der Mörder seines Bruders ist.«
    »Verdammte Schreiberlinge!«, brüllt Eladio Altube. »Und was sagt ihr zu den Todesängsten, die ich ausgestanden habe, als das Meer höher und höher stieg? Ist das nicht genauso eine verfluchte Wirklichkeit?!«
    Das hat hier nichts zu suchen, denke ich, sein Alibi hätte er nicht erwähnen müssen. Warum hat er es trotzdem getan? Sein Gewissen – und er hat sicher eins, das müssen wir ihm zugestehen – muss in den vergangenen zehn Jahren doch irgendwie damit zurande gekommen sein, dass er zwar Etxes Schritte und Zeiten genau berechnen konnte, die Natur jedoch letztlich unberechenbar war und dem Ganzen womöglich eine neue Wendung gegeben hatte, sodass er am Ende wahrscheinlich an das Eingreifen von Kräften wie dem Zufall, dem Schicksal oder Gott dem Allmächtigen zu glauben begann und ihnen die gesamte Verantwortung für Leonardos Tod übertrug. Nein, er hätte es an dieser Stelle wirklich nicht erwähnen müssen … Vielleicht aber auch doch, wenn man bedenkt, in welche Zwangslage ihn seine »Vogelscheuche« gebracht hat. Wie verzweifelt muss er sein, dass er sich mit diesem allseits bekannten Alibi noch einmal herauszuredenversucht. Zehn Jahre hat er sich daran geklammert, doch jetzt spürt er die Erde unter seinen Füßen beben und beginnt zu ahnen, dass es ihn nicht mehr länger schützt und er sich schleunigst ein anderes überlegen muss.
    »Auch ich hätte in jener Nacht sterben sollen! Eine Minute länger, und ich hätte ebenfalls den Löffel abgegeben!«
    Das hat man in Getxo immer gewusst, ohne dass es je irgendwer hätte hervorheben müssen. In der guten Stube wird die Luft allmählich immer dünner für Eladio Altube.
    »Aber zu dieser letzten Minute kam es nicht«, entgegne ich erbarmungslos, »also führe sie auch nicht ins Feld, denn so weit hast du nicht gedacht, deine Berechnungen endeten schon viel eher. Trotzdem: Meinen aufrichtigen Glückwunsch zu diesem brillanten Alibi … zumal sich jetzt herausgestellt hat, dass du es dir ganz allein ausgedacht hast. Bisher dachte ich nämlich, dass es das Werk von zwei Hirnen war. Wirklich, eine Glanzleistung, Eladio.«
    Mein ironischer Kommentar gibt ihm den Rest. Eladio rast zu Luciano und packt ihn voller Verzweiflung mit beiden Händen am Revers.
    »Schaff mir diese Vogelscheuche vom Hals!«
    Der Falangist befreit sich jedoch sanft von Altubes Händen. Es ist ganz offensichtlich, dass ihn die Szene amüsiert, er fühlt sich vollkommen über sie erhaben.
    »Du hättest gern, dass ich ihn umlege, nicht wahr?«, sagt er voller Selbstgefälligkeit. »Ich könnte das wirklich ohne Weiteres tun, letzten Endes hat er dich beleidigt. Aber wäre das gut für meinen Roman? Es wäre auf jeden Fall tatsächlich passiert, weshalb ich es irgendwie einflechten müsste, so ist es doch, Bordaberri, nicht wahr? Hm, gar nicht mal so schlecht … Du kratzt ab, und ich schreibe unseren Roman ganz allein zu Ende. Lass mich mal überlegen …« Nachdenklich reibt er sich das Kinn, und plötzlich leuchten seineAugen auf. »Ich hab’s! Ich könnte einfach schreiben, dass die Pistole des zweiten Ermittlers plötzlich losging und dich fatalerweise traf. Das gibt noch ein paar Seiten mehr und folglich mehr Spannung. Und einem Krimi ist eine zweite Leiche noch nie schlecht bekommen.«
    »Ein Ermittler, der die unmittelbare Konkurrenz erschießt? Wirklich sehr originell.«
    Höhnisch lache ich auf. Oder ist es Galgenhumor?
    »Sam Esparta wird nicht durch eine Kugel sterben, sondern an einem Herzinfarkt, ausgelöst vom Wechselbad
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