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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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Sprache verschlagen? Wir warten immer noch auf die Erklärung des großen Meisterdetektivs.«
    Sein Sinneswandel macht mich nun wirklich sprachlos: Von einer Sekunde auf die nächste ist Altube die Leutseligkeit in Person.
    »Ich schätze mal, er ist hier, weil er dich verhören will«, mutmaßt Luciano. »Dem Buchhändler geht’s um seinen Roman, das ist doch klar. Also fang schon an, Bordaberri, los, zeig mir, wie das geht.«
    »Wie ist eure Schmuggelaktion heute Nacht gelaufen?«
    »Ah, so ist das! Er will uns anzeigen.« Nun ist es an Eladio, laut aufzulachen. »Deshalb ist er hier!«
    »Nein, ich bin hier, weil vor zehn Jahren ein Bruder den anderen umgebracht hat«, sage ich, jede einzelne Silbe betonend, wobei ich inständig hoffe, dass es in meinem Roman nicht zu großspurig klingt.
    »Der sieht dich an!« Immer noch lachend stupst Eladio Luciano an. »Mach dich auf was gefasst.«
    Luciano schüttelt den Kopf. »Nein, er sieht dich an, mein Lieber, ich bin Einzelkind. Seit wir hier sind, hat er dich nicht aus den Augen gelassen.« Luciano wendet sich mir wieder zu. »Dann ist das also das Ende des Romans … pardon,
deines
Romans?«
    »Ah ja, richtig, der Roman«, sagt Eladio Altube und grinst.
    Luciano beachtet ihn jedoch nicht weiter, sondern fährt voller Stolz fort: »Meiner entwickelt sich übrigens in eine ganz andere Richtung. Dementsprechend bekommt er auch ein völlig anderes Ende.«
    »Ich schreibe hier und jetzt das einzig wahre Ende!«, halte ich ihm entgegen, während mich ein euphorisches Kribbeln durchfährt, da ich anscheinend auf den letzten Seiten angekommen bin. Freu dich nicht zu früh, schelte ich mich aber gleich selbst, erst einmal musst du mit den beiden hier fertigwerden, und nicht nur mit einem, wie du es eigentlich erwartet hattest.
    Der Falangist schnäuzt sich jetzt in sein Taschentuch, seine Augen funkeln vor Zufriedenheit.
    »Den entscheidenden Hinweis für die Lösung des Falls lieferte mir der Hänfling, der jeden Morgen als Erster an den Strand kommt … Etxe, heißt der, nicht wahr?«
    »Das kann dir Eladio Altube ganz genau sagen«, erwidereich. »In jener Nacht hat er das Schloss um seinen eigenen Hals nämlich erst geschlossen, als Etxe am Strand erschien und damit das Räderwerk für Eladios Alibi in Gang setzte.«
    »Unglaublich, was dieser Knallkopf in seinem eleganten Anzug, für einen Stuss faselt«, knurrt Altube in einer Mischung aus Hohn und Verzweiflung.
    Eigentlich hätte er mich laut auslachen müssen, weiß er doch, dass ihn die Macht seines langjährigen Falangistenkumpans beschützt.
    Das Blauhemd grinst selbstzufrieden. »Diesen Etxe habe ich also gefragt, was er damals als Erstes am Strand gesehen hat. ›Nichts, gar nichts‹, antwortete er. Worauf ich natürlich geschickt nachbohrte: ›Man hat mir aber erzählt, dass du immer in aller Herrgottsfrüh an den Strand kommst, um aufzusammeln, was die Wellen Nacht für Nacht an Land spülen. Was hast du also in unmittelbarer Umgebung des Felsens, am Schauplatz dieses schrecklichen Verbrechens gesehen?‹ Doch er blieb bei seinem: ›Nichts, gar nichts.‹ Da wurde ich richtig sauer, denn er belog mich ganz offensichtlich. Also zog ich die Daumenschrauben an, so wie es mir ein Leutnant der
División Azul
mal gezeigt hatte – und prompt hat er gesungen. Und wie der gesungen hat! Er habe eine schwarze Kapuze gesehen, wimmerte er. ›Und warum hast du mir das verschwiegen?‹, schrie ich ihn an. Der Jammerlappen zitterte daraufhin so sehr, dass ich auf der Stelle wusste, dass er der Täter war. Es war einfach sonnenklar: Er hatte sich selbst diese Kapuze übergezogen, damit man ihn nicht erkannte, die beiden niedergeknüppelt und anschließend an den Felsen gekettet, damit die ansteigende Flut ihnen den Rest gab. Um den Verdacht von sich abzulenken, zog er dann in aller Gemütlichkeit los, um die Männer aus der Schmiede zu holen. Allerdings kam er mit ihnen viel zu früh zurück an den Strand, wo er sich bestimmtinnerlich verfluchte, weil er sich verrechnet hatte, denn eines seiner Opfer war noch am Leben … Das ist der Plot, an dem ich Tag für Tag gefeilt habe, Bordaberri. Und du musst zugeben, er gäbe gar keine so schlechte Vorlage für einen Kinofilm ab. Alle weiteren Ermittlungen haben das Ganze dann nur noch ausgeschmückt; beim Schreiben lernt man solche Erzähltricks ganz von allein. Allerdings hat sich mir dabei wieder einmal gezeigt, dass das Krimigenre der Poesie eindeutig unterlegen ist, da
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