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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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überrascht ist, dann wir. Haben ihreWorte irgendwas zu bedeuten? Wahrscheinlich nicht, die arme Bidane steht vollkommen neben sich, das würde sicher jedem so gehen.
    »Du solltest dich jetzt lieber auf die Begegnung mit Eladio vorbereiten, er kommt bestimmt bald heim«, sagt Koldobike bedachtsam. »Was hat er um diese Uhrzeit eigentlich noch gemacht?«
    Bidane lächelt immer noch so sonderbar.
    »Geschmuggelt.«
    Aus dem Blick, den meine Sekretärin mir daraufhin zuwirft, ist deutlich zu lesen, was wir erst ein paar Stunden zuvor gehört haben:
Was man eben so macht in diesen Zeiten.
Luciano. Bei dem Nachtschwärmer, mit dem unser Blauhemd unterwegs ist, handelt es sich also um Eladio Altube.
    Unter normalen Umständen und in einem normalen Land würde ein Privatdetektiv nun die Polizei einschalten. Wir leben jedoch in einer blutigen Militärdiktatur, und wer ist so verrückt, sich wegen eines aus privaten Motiven begangenen Verbrechens an diejenigen zu wenden, die noch immer in den Gefängnissen Tausende von Menschen erschießen?
    Plötzlich steht Bidane mit zusammengepressten Lippen auf. Mit beiden Händen packt sie die Kette an dem großen Vorhängeschloss in der Mitte und hebt sie hoch, sodass ihre beiden Enden auf dem Boden schleifen. Dann reckt sie die Arme in die Höhe, die Kette schleift jedoch noch immer am Boden entlang, weshalb sie schließlich auf einen Stuhl steigt. Jetzt hängt die Kette von so weit oben herab – dass eines der beiden Enden auf Hüfthöhe baumelt und das andere auf dem Boden aufliegt! Zwei unterschiedliche Enden, ein kurzes und ein langes. Die Kette spricht eine deutliche Sprache: Es war kein Unfall, sondern Leonardo ist vorsätzlich getötet worden!
    Bidanes Atem beschleunigt sich, als sie das kürzere Ende in die Hand nimmt, um es zärtlich zu küssen. Ich sehe zu Koldobike, die ihren eigenen Augen nicht traut und sie deshalb immer wieder zukneift. Behutsam nehme ich Bidane die Kette aus der Hand und lege sie zurück auf den Tisch.
    »Damit ist er geliefert. Ich werde an Ort und Stelle auf ihn warten und ihn zur Rede stellen.«
    »Du kennst ihn nicht …«, sagt Bidane düster, während sie wieder von ihrem Stuhl steigt.
    »Keine Sorge, der wird sicher einknicken und auspacken, wenn ich ihm den Boden unter den Füßen wegziehe.«
    »Mein Mann ist daran gewöhnt, sich auf unsicherem Terrain zu bewegen«, murmelt Bidane und presst ihre Lippen dann so fest zusammen, dass es wehtun muss.
    »Ich bleibe bei Sam«, erklärt Koldobike energisch, wobei sie sich aus mir unerfindlichen Gründen ihren Rock glatt zieht.
    »Ich kann euch nicht allein lassen«, wispert Bidane. »Schließlich kenn ich als Einzige all seine Tricks.«
    »Perfekt! Dann sind wir schon drei gegen einen!«, versucht Koldobike zu scherzen.
    »Setzt euch bitte einen Augenblick.«
    Meine Stimme klingt ganz ruhig, weshalb sie mir wortlos gehorchen. In dieser guten Stube, umgeben von all den Heiligen und Ahnen an den Wänden, wirken wir wie drei Hinterbliebene während einer Totenwache. Meine Idole könnten die Stimmung wohl kaum besser beschreiben.
    »Und jetzt hört mir gut zu: Ich werde das nicht zulassen. Das ist allein meine Sache, ich habe das alles in Gang gesetzt, nachdem ich mich selbst zum Privatdetektiv erklärt hatte. Ich wurde Sam Esparta in dem Bewusstsein, auch alle Konsequenzen auf mich zu nehmen, die dieser Beruf und dieses Romangenre mit sich bringen. Mir war von Anfangan klar, dass das für mich kein leichtes Spiel werden würde. Denn ich muss auf die Straße raus und die Wirklichkeit tatsächlich erleben, wohingegen wirklich talentierte Schriftsteller sich solchen Gefahren nicht aussetzen müssen, sie setzen sich einfach an ihre Schreibmaschine und schütteln des Rätsels Lösung aus dem Ärmel …« Meine Sekretärin wird langsam unruhig, weshalb ich ihr väterlich eine Hand auf den Arm lege. »Ich bin gleich fertig, Koldobike. Ich sage das nämlich alles weniger zu euch als zu mir, um mich seelisch auf diese entscheidende Konfrontation vorzubereiten, die ich im Übrigen mit Würde zu bestehen gedenke.«
    Koldobike schüttelt vehement den Kopf.
    »Du überzeugst mich trotzdem nicht. Ich stecke genauso tief in der Geschichte drin wie du.«
    »Dann sieh es doch mal so: Angenommen, mehrere Menschen sitzen in einem Boot und teilen ein Geheimnis, das außer ihnen niemand kennt. Wenn diese Menschen nun Schiffbruch erleiden, werden sie sicher nicht den Fehler begehen und alle ins selbe Rettungsboot springen,
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