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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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auch noch ich und rolle den ungeklärten Fall noch einmal auf. Ohne den lästigen Sam Esparta wäre die Kette wahrscheinlich ganz einfach von Ermos Keller in den Keller von Larreas Herrenhaus gewandert. Doch der gewitzte Privatdetektiv hatte die Eisenwarenhandlung bereits im Visier und hätte auf jeden Fall spitzgekriegt, wer die Kette gekauft hatte, und sie sich dann sicher von Larrea zeigen lassen. Deshalb hat Eladio Altube die Nerven verloren, ja sogar richtig Panik bekommen. Und die war durchaus begründet, denn wie wir vorhin gesehen haben, hat die Kette etwas zu erzählen, wenn man sie sich in aller Ruhe ansieht und nicht mit der nervlichen Anspannung, unter der die Zallas seinerzeit standen.
    Wie Bidane zuvor stehe ich jetzt auf und nehme sie in beide Hände. Noch nicht einmal, wenn ich die Arme über dem Kopf ausstrecke, hebt sich das kürzere Ende vom Boden. Oben in meinen Händen das große Schloss, mit dem die Kette am Felsen befestigt war, und unten die beiden kleineren, die den Ring um ihre Hälse schlossen. Antimo Zalla sägte die kleinen auf und Ermo in der nächsten Nacht dann das große, das, wie mir nun auffällt, fest mit einem Kettenglied verschweißt ist, wohl damit Eladio sich in den entscheidenden Minuten nicht vertut. Und genau da ist der springende Punkt: Warum hat Eladio Altube nicht zumindest dieses Schloss vernichtet, das einem den Schlüssel zu der ganzen Geschichte liefert? … Nun, vielleicht wollte er es in der darauffolgenden Nacht beseitigen, Ermo kam ihm aber zuvor. Und später hat er sich dann in der trügerischenSicherheit gewiegt, dass ihm dank Ermos Habgier niemand mehr auf die Schliche kommt – bis eben Sam Esparta auftauchte und er es mit der Angst zu tun bekam … Wusste ich’s doch, dass bei einer Ermittlung die Nerven des Täters eine wichtige Rolle spielen.
    Kurios ist nur, dass dieses ganze, höchst komplizierte Räderwerk auf drei mögliche Täter schließen lässt: einen Verbrecher, der alle beide töten wollte; das Zwillingspaar selbst, das uns hinters Licht führen wollte – oder nur einer der Zwillinge, der den anderen umbringen wollte, aus welchem Grund auch immer.

19 Leonardo Altube
    Schwere Schritte im Flur lassen mich hochschrecken. Augenblicklich bin ich hellwach und weiß sogar, wo ich bin. Als ich den Docht der Petroleumlampe höherschraube, halten die Schritte kurz inne, dann kommen sie vorsichtig näher. Ich glaube, ich bekomme nicht Besuch von einem, sondern von zweien.
    »Was machst du denn hier?!«
    Die Verwunderung steht Eladio Altube ins Gesicht geschrieben.
    »Hallo, Buchhändler«, ruft hinter ihm jemand. Luciano.
    »Was machst du hier?«, wiederholt Eladio, inzwischen mehr ungehalten als verwundert.
    »Los, raus mit der Sprache, damit ich es auch gleich weiß«, unterstützt ihn Luciano grinsend.
    Wortlos stehe ich auf und streiche mit einem vielsagenden Blick über die Kette. Altubes Gesicht ist undurchdringlich, weshalb ich nun das große Vorhängeschloss in die rechte Hand nehme und mit der Kette auf den nächsten Stuhl steige. Den Arm nach oben gereckt, sind es vom kurzen Ende bis zum Boden gut eineinhalb Meter; das andere schleift am Boden. Dann greife ich mit meiner linken nach den beiden kleinen Vorhängeschlössern und schwinge die Kettenendenhin und her wie ein Weihrauchfass. Wenn das irgendwer versteht, dann dieser Mann, der wie gelähmt drei Meter vor mir steht.
    Luciano lacht auf. »Im Zirkus kannst du damit aber noch nicht auftreten.«
    Ich lasse ihn reden, bewege die Kette nur weiter hin und her, damit sie diesem Kerl erzählt, was ich weiß. Und in der Tat hat er ihre stumme Botschaft verstanden, denn nun blitzt Zorn aus seinen Augen, er beginnt zu röcheln, und Schweiß bricht ihm aus allen Poren.
    »Verdammtes Arschloch! Drecksack! Hurensohn!«, schreit er, was Luciano mit schallendem Gelächter quittiert.
    »Mach mal halblang!«, japst er, als er sich wieder gefangen hat. »Bis jetzt hat er dir noch nichts gestohlen. Und deshalb bist du auch nicht hier, oder, Bordaberri? Na los, mach endlich den Mund auf und erzähl, warum du uns mit deiner Anwesenheit beglückst.«
    Doch zwischen Eladio Altube und mir hat es inzwischen einen heftigen Kurzschluss gegeben. Unsere Blicke haben sich nicht nur getroffen, nein, sie sind richtiggehend zusammengestoßen wie zwei Degen beim Fechten, und ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, ob ich ausreichend gerüstet bin und seinen nächsten Ausfall noch parieren kann.
    »Hat es Samuel Esparta die
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