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Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
Autoren: Karlheinz Deschner
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Aufkommende Primatsansprüche

    Diese Primatsambitionen der römischen Bischöfe, zumeist mit Mt. 16,18 begründet, sind freilich bodenlos angemaßt. Länger als zwei Jahrhunderte bestanden sie selber nie auf ihrer (angeblichen) Einsetzung durch Jesus! Pochten sie niemals darauf, Nachfolger Petri zu sein! »Es läßt sich nicht erkennen, daß die Petrusverheißung Matth. 16,18«, betont Henry Chadwick, »vor der Mitte des dritten Jahrhunderts in der Geschichte der römischen Leitungs- und Autoritätsansprüche eine Rolle gespielt hätte«. Erst seitdem nämlich gibt es die erste sicher verbürgte Primatsbehauptung eines römischen Bischofs – ein Faktum, das Jesuit de Vries schon fast zynisch so einräumt: »Wir müssen zugeben, daß es reichlich lange gedauert hat, bis man in Rom die ganze Bedeutung des Felsenwortes für das Petrusamt des Bischofs von Rom erkannt hat. Aber man hat sie schließlich erkannt ...« Nicht einmal die Vorstellung von einem besonderen Status des römischen »Stuhlhalters« als »Nachfolger« Petri wurde in Rom entwickelt!
Jeder
Bischofssitz, selbst der belangloseste, weder durch Tradition hervorragend noch Bedeutung, war zunächst »sedes apostolica«. Und
jeder
Bischof beanspruchte auch das Epitheton »apostolicus« sowie das Substantiv »apostolatus« für seine Würde und sein Wirken. »Die Bezeichnung eines einfachen Bischofs als summus pontifex ist sogar zum ersten Male in einem päpstlichen Schreiben nachweisbar« (Katholik Baus). Auch fühlten sich die ältesten Oberhirten Roms keinesfalls als »Päpste«. Sie hatten lange »keinen anderen Titel ... als die übrigen Bischöfe« (Katholik Bihlmeyer). Im Gegenteil. Während man im Osten längst Patriarchen, Bischöfe, Äbte als »Papst« (pappas, papa, Vater) titulierte, ist die Bezeichnung in Rom erstmals auf einem Grabstein aus der Zeit des Liberius (352–366) bezeugt. Sie bürgerte sich im späteren 5. Jahrhundert auch im Westen ein, wo die römischen Bischöfe das Wort »Papst«, zusammen mit anderen Bischöfen, als Selbstbenennung regelmäßig aber nicht vor dem ausgehenden 8. Jahrhundert gebrauchen. Und erst vom 2. Jahrtausend an wird das Wort »Papst« ein ausschließliches Vorrecht des Bischofs von Rom, ja, noch im 11. und 12. Jahrhundert nennen sich nichtrömische Bischöfe »vicarius Petri« (Stellvertreter Petri). Und den Titel »Summus Pontifex« gibt es sogar für alle Bischöfe bis ins hohe Mittelalter. 51
    Folglich wurde der Primat des »Papstes«, seit davon die Rede ist, bestritten. Zunächst von katholischen Theologen, Kirchenvätern, Bischöfen selber.

Die Bestreitung des päpstlichen Primats dauerte bis in die Neuzeit fort

    Auch in den ersten frühmittelalterlichen Jahrhunderten haben sich ökumenische Konzilien dem Alleinvertretungsanspruch Roms keinesfalls gebeugt. Die Beschlußfassung geschah kollegial und bei der feierlichen Verkündigung der Kanones wurde der Papst gar nicht genannt. Nicht er war die hierarchische Oberinstanz mit Befehlsbefugnis, nicht er war für eine unbedingt verbindliche Entscheidung in Glaubensfragen kompetent, sondern eben das Konzil. Der römische Theologe Wilhelm de Vries resümiert am Ende seiner Studie über die Synoden des ersten Jahrtausends: »Gemäß diesen Konzilien ist es mindestens das
Normale,
daß Entscheidungen in Glaubenssachen und in wichtigen disziplinären Angelegenheiten
kollegial
gefällt werden. Es ist schwer zu sehen, wie ein absolutistisch verstandener Primat eine Stütze in der Tradition des ersten Jahrtausends finden kann.« 78
    Aber auch im 2. Jahrtausend wurde dieser so unredlich wie machterpicht errungene Vorrang weiter bekämpft. Von der griechischen Kirche selbstverständlich, von vielen »Ketzern«, den Katharern etwa, Albigensern, Waldensern, Fratizellen. Im frühen 14. Jahrhundert von Marsilius von Padua und Johannes von Janduno, letzterer Professor der Pariser Universität. Schließlich von John Wyclif, Hus, Luther samt den übrigen Reformatoren. Doch auch der Widerstand von Katholiken dauerte fort. So suchte man auf verschiedenen Kirchenversammlungen die römischen Machtambitionen zugunsten der Bischöfe zu beschränken oder ganz aufzuheben; in Pisa beispielsweise, in Konstanz (wo sich das Konzil in dem Dekret »Haec sancta synodus« vom 6. April 1415 als über dem Papst stehend erklärte) oder in Basel (wo man die Ansicht, das allgemeine Konzil stehe über dem Papst, am 16. Mai 1439 zum Dogma erhob). Auch bestritt man in jenen Zeiten die päpstliche
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