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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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sein“, flüsterte er.
    „Ich fürchte doch. Ich brauche nur anzurufen, dann ist die Polizei in wenigen Augenblicken da.“
    „Warum tun Sie das?“
    Sie kniete nieder. Ihr Gesicht war seinem ganz nahe. „Möchtest du dem Gericht entgehen? Möchtest du, daß ich dir deine Frechheit verzeihe, mich so heimtückisch vergewaltigt zu haben?“
    „Was wollen Sie denn von mir?“
    „Du solltest mir einen Gefallen tun“, sagte sie scharf. „Einen kleinen Gefallen, und ich vergesse alles, was heute hier vorgefallen ist. Du darfst deine Erinnerungen an dieses Vergnügen behalten.“
    „Was für einen Gefallen?“
    „Du mußt die Bestimmungen des Scheffing-Instituts ein wenig brechen“, sagte sie. „Aber dieses Verbrechen ist bei weitem nicht so schlimm wie die Vergewaltigung eines Mädchens meines Alters. Und wenn du es clever anstellst und auch noch ein bißchen Glück hast, kommst du davon, ohne Schaden zu nehmen. Ich möchte ein bestimmtes Fremdbewußtsein haben, Leonards. Hol es mir aus dem Lager, borg es morgen kurz aus und pflanz es mir dann ein. Das ist auch schon alles, was ich will. Ich komme zum Gebäude, du führst die Transplantation aus, und wir beide sind quitt. Aber wir müssen uns beeilen, weil dieses Fremdbewußtsein schon bald ausgemerzt werden soll. Alles klar, Leonards? Abgemacht?“
     
    „Damit wäre ja alles erledigt“, sagte Mark Kaufmann. „Die Aufzeichnung meines Onkels bleibt also auf unbestimmte Zeit im Depot.“
    „Ja“, sagte Santoliquido. „Besser gesagt, sie bleibt noch mindestens ein bis zwei Jahre dort.“
    „In dieser Zeit kann er ein wenig Dampf ablassen. Wenn er dann verpflanzt wird, wird er kein Titan mehr sein. Falls er überhaupt noch einmal verpflanzt wird.“
    Santoliquido zuckte die Achseln. „Ich halte ihn so lange im Lager, bis sich ein geeigneter Träger meldet, Mark. Und da Roditis jetzt unwiderruflich aus dem Rennen ist, kann das noch sehr, sehr lange dauern. Du brauchst dir also deswegen keine Sorgen zu machen.“
    „Fein. Sehe ich dich am Samstag auf meiner Party?“
    „Klar doch“, sagte Santoliquido. „Ich schätze, ich bin gegen Mittag auf Dominica. Mal was Neues, extra in die Tropen zu fliegen, um kühleres Wetter zu finden. Richte Elena bitte meine besten Grüße aus, ja?“
    „Selbstverständlich.“
    Kaufmann schaltete die Telefonanlage ab. Er lächelte, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und preßte die Fingerspitzen gegeneinander. Zum Schluß war ja doch noch alles zum Besten verlaufen. Roditis war ausgeschaltet und vorerst völlig von der Bildfläche verschwunden. Santoliquido, der nicht ohne Beulen und Schrammen aus dieser Geschichte herausgekommen war, wagte nicht mehr, Marks Wünschen zu widersprechen. Kein zusätzlicher Onkel Paul würde frei herumlaufen und seine Pläne beeinträchtigen können. Elena war geläutert und befleißigte sich einer Haltung, die der Treue sehr, sehr nahe kam. Risa, die von Tag zu Tag mehr an Vernunft und Reife gewann, war zu einer würdigen Kaufmann-Erbin gereift und stand bereit, Verantwortung im Kaufmann-Imperium zu übernehmen. Er selbst war heil und ungeschoren aus der Sache herausgekommen. Der mächtige Geist seines Onkels hatte sich ausgezeichnet in seinen Verstand integriert, niemand sonst auf der Welt wußte von ihm.
    „Na, wie gefallt dir das, alter Fuchs? Ich habe die Sache doch prima hingeschaukelt, was?“
    - Du hast gute Arbeit geleistet, antwortete Paul. Aber jetzt werd bloß nicht übermütig. Roditis ist an seiner Unfähigkeit zur Selbstkritik zugrunde gegangen.
    „Mach dir um mich keine Sorgen“, gab Mark zurück. „Ich bemühe mich, alle Fußangeln einzukalkulieren. Und mit dir an meiner Seite sollte uns kaum eine entgehen.“
    - Unverhofft kommt oft. Sei darauf gefaßt.
    „Mark?“ Das war Risas Stimme von draußen. „Ich bin hier, Mark.“
    „Komm herein“, sagte ihr Vater.
    Sie betrat das Büro. In ihrem freizügigen Sommerkleid sah sie frisch und knusprig aus. Ihre Haltung wirkte bestimmt und überlegen, Mark konnte sie dafür nur bewundern. Hier stand die Person, die ihm am meisten bedeutete; und gleichzeitig die, die ihn am ehesten verletzen konnte. Er glaubte zu wissen, daß Risa einen bestimmten Verdacht hegte, welche besondere Beziehung er mit Onkel Pauls Bewußtsein eingegangen war. Sie kannte die Eigenarten des alten Mannes und natürlich auch die ihres Vaters, und sie konnte eins und eins zusammenzählen, und so die besondere Beziehung zwischen den beiden Männern
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