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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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verdrängt, kurze Zeit nach seinem kurzen Triumph war er bereits wieder zurückgeschlagen.
    Noyes fiel zu Boden, wo er sich zusammenkauerte.
    „Hören Sie mich an“, sagte er und hatte unglaubliche Mühe, die Worte zu formen. „Hier spricht wieder Noyes. Noyes, hören Sie, die richtige Stimme! Er hat es nicht ganz geschafft, zum Dybbuk zu werden. Kein schlechter Versuch, aber das war auch schon alles. Hören Sie, Kaufmann, nehmen Sie alles auf Band auf?“
    „Jedes Wort.“
    „Gut. Ich war immer ein Idiot. Ich habe mich von jedem ausnutzen lassen. Aber jetzt ist Schluß damit. Mein Geist gehört mir. Letzte Nacht … Roditis hat mich hergeschickt. John Roditis von der Roditis-Versicherungsgesellschaft. Ich hatte Anordnung, St. John zu ermorden. Damit er Paul erneut beantragen konnte. Ich gab St. John Gift … Zyklo… Zyklophosphamid-8. Ich gestehe aus … freien … Stücken.“
    Er konnte es selbst in der zusammengekauerten Stellung nicht mehr aushalten. Jetzt lag er auf der linken Seite – der halbe Körper war gelähmt.
    „Ich wiederhole: ich habe auf Roditis’ Anordnung Martin St. John ermordet. Machen Sie eine Geistesuntersuchung bei Roditis, und Sie haben alle Beweise. Zwei Bitten habe ich noch: Genehmigen Sie Kravchenko keine neue Transplantation. Sie haben es ja gesehen – er wurde fast zum Dybbuk. Ist zum Dybbuk geworden, eine Minute lang. Und auch für … mich … bitte … keine weiteren Verpflanzungen. Ich will meine Ruhe … Will runter vom Rad …“
    Ich sollte jetzt ein Mantra beten, dachte Noyes. Noch einen Tusch vor dem Abgang. Om mani padme hum. Aber wieso eigentlich?
    Seine Hand griff in die Brusttasche.
    Er spürte, wie Kravchenko gegen ihn ankämpfte und mit aller Macht versuchte, den gemeinsamen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber Noyes konnte ihn in Schach halten. Seine Koordinationsfähigkeit war so gut wie nicht mehr vorhanden. Trotzdem gelang es ihm, die ersehnte Giftampulle in die Finger zu bekommen, die er so oft und so sanft gestreichelt hatte; Carniphage, sein ständiger Begleiter, sein liebster Freund.
    Er setzte sie an den Mund und biß die Spitze ab.
    Der Inhalt rann seinen Hals hinunter.
     
    Mark Kaufmann starrte wie vom Donner gerührt den sich windenden, zerschmelzenden Körper auf dem Teppich an.
    „Carniphage“, keuchte er. „Risa – Elena, seht nicht hin!“
    Die Italienerin war längst geflohen. Aber Risa beobachtete den Zerfallsprozeß mit einer Art düsteren Faszination. Kaufmann machte sich gar nicht erst die Mühe, ihr die Augen zu bedecken.
    Sicher mußte Noyes schon tot sein. Die Auflösung im Innern arbeitete sich jetzt auch nach außen vor; der Körper von Noyes war ein Bild des Chaos. Aber immer noch bewegte sich dieses Wesen, ruckte und zuckte die Einbahnstraße zur Zerstörung hinunter.
    Risa sagte: „Warum hat er ein Geständnis abgelegt? Zuerst sah es doch so aus, als wollte er hart bleiben.“
    „Er wollte es allen beweisen: Roditis, Kravchenko … Erst unmittelbar vor seinem Ende hat er endlich etwas Charakterstärke erlangt.“
    Die Glieder zerflossen zu einem formlosen Haufen. Der Tote bewegte sich nicht mehr.
    „Nützt uns sein Geständnis etwas?“, fragte Risa.
    Mark nickte langsam. „Die Stimmuntersuchungen werden zeigen, daß es eindeutig Noyes ist, der auf dem Tonband gesprochen hat. Die Aufzeichnung wird auch zeigen, daß Noyes beinahe von einem Dybbuk ausgestoßen wurde, ihn zurückdrängen konnte, dabei mit Mühe ein Geständnis formulierte und sich schließlich selbst das Leben nahm. Alles in allem reicht das aus, um die Polizei von der Notwendigkeit einer Geistesuntersuchung bei Roditis zu überzeugen.“
    „Und dann?“
    „Dann wird der Grieche ausgemerzt“, sagte Kaufmann. Sein Triumph war verhalten. Er warf noch einen Blick auf den gräßlichen Leichnam am Boden, dann ging er zum Telefon, um die Polizei zu rufen.

 
     
15
     
    Mittlerweile war es Juli geworden. Die Zeit der mörderischen Hitze war so unvermittelt angebrochen, daß die Kapazitäten der Wettermacher überfordert und viele Leute in kühlere Gegenden geflohen waren. Risa blieb in New York. Der Prozeß gegen John Roditis war gerade zu Ende gegangen, jetzt gab es eine Menge für sie zu tun.
    Man hatte Roditis natürlich angeklagt. Noyes’ aufgezeichnetes Geständnis hatte den Staatsanwalt veranlaßt, bei ihm eine Geistesuntersuchung zu beantragen, was vom Richter genehmigt worden war. Roditis’ Anwälte hatten dagegen auf Grund eines alten
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