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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben
Autoren: Robert Silverberg
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erklären, auf wessen Veranlassung hin dieses Verbrechen begangen wurde, erhalten Sie vielleicht mildernde Umstände.“
    Noyes zitterte. Also hatte Elena ihnen alles erzählt. Wie er es erwartet hatte. Er saß in der Falle.
    - Am besten, du versuchst, möglichst ungeschoren hier herauszukommen, riet Kravchenko.
    „Wir wollen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, für Sie Milde beim Gericht durchzusetzen“, sagte Mark mit besänftigender Stimme. „Uns ist klar, daß Sie nicht aus eigenem Antrieb den Mord an Martin St. John begangen haben. Wenn Sie uns dabei helfen, den, der hinter diesem Verbrechen steht, zu überführen …“
    Natürlich, dachte Noyes, das ist alles, was ihr wollt, Roditis festnageln. Alles paßt zusammen. Ihr schert euch um mich genauso wenig wie alle anderen.
    Er schwankte. Er konnte sich fast nicht mehr orientieren. Die Welt drehte sich, das Zentrum hielt nichts mehr zusammen, alles brach auseinander. Sechs Mark Kaufmanns sahen ihn an. Und sechs Risas. Seine Augen konnten sich auf nichts mehr einstellen. Er meinte, Kravchenkos bösartiges Lachen zu hören; es wurde immer lauter, bis daraus ein Triumphschrei geworden war.
    Die Giftampulle in seiner Brusttasche schien sich in die Haut hineinzubrennen.
    Nimm sie, sagte er sich. Du hast lange damit gedroht – aber damit hast du dich nur selbst zu täuschen versucht, nicht wahr? Doch jetzt ist der geeignete Moment gekommen. Zieh sie raus und schluck das Carniphage. Du steckst ohnehin so tief drin, daß du nie mehr rauskommst. Er spricht von mildernden Umständen, aber das ist gelogen. Man wird deinen Geist untersuchen und dich dann ausmerzen. So kannst du wenigstens noch Roditis retten. Sie haben keinen einzigen haltbaren Beweis gegen ihn. Roditis ist ein Schwein, aber du schuldest ihm deine Loyalität. Das hast du immer getan. Wenn du das Gift einnimmst, bevor Kaufmann etwas aus dir herauskitzeln kann, ist der Grieche damit aus dem Schneider.
    - Du bist ein noch größeres Arschloch, als ich dachte, dir in diesem Augenblick noch Sorgen um Roditis zu machen, platzte Kravchenko dazwischen.
    Wiederum hatte sich das Fremdbewußtsein in seine Gedanken eingeschaltet. Beim letzten Mal war es kurz darauf zur Übernahme seines Geistes gekommen.
    - Laß Roditis in der Scheiße landen, drängte Kravchenko. Erzähl Kaufmann alles, was du weißt. Warum sperrst du dich dagegen? Du schuldest Roditis nichts. Er hat dein Leben ruiniert.
    „Nein“, sagte Noyes, „das tue ich nicht.“
    „Was tun Sie nicht?“ fragte Mark.
    „Ich glaube, er spricht mit seinem Fremdbewußtsein“, sagte Risa. „Sieh dir nur sein Gesicht an! Er schnappt ja gleich über!“
    Noyes gurgelte schwer. Es war wieder soweit: Kravchenko entstieg seinem Gefängnis, breitete sich aus, erfüllte den ganzen Verstand und griff wieder nach den Kontrollschaltern.
    „Hör auf!“ kreischte Noyes. „Laß mich in Ruhe! Ich lasse dich nicht – mach, daß du hier raus …“
    Er schwieg.
    Kühl sagte Kravchenko: „Wenn Sie nichts dagegen haben, Mr. Kaufmann, wollen wir dieses Verhör jetzt beenden. Ich möchte gern meinen Anwalt sprechen. Und ich beantworte höchstens der Polizei Fragen, aber nicht Ihnen. Ist das klar genug?“
    „Eine andere Stimme“, sagte Kaufmann. „Ein anderes Bewußtsein. Ruhiger – und diese Augen …“
    „Möchten Sie mich jetzt bitte entschuldigen?“ sagte Kravchenko. „Sie haben mich hierher verschleppen lassen, dafür werden Sie bezahlen. Dieser Popanz von Untersuchungsgericht hat hiermit sein Ende gefunden. Wagen Sie es ja nicht, mich am Verlassen des Hauses zu hindern.“
    Unbeholfen schritt er auf die Tür zu.
    Risa sprang auf. „Dybbuk!“ kreischte sie. „Siehst du denn nicht, daß Noyes’ Fremdbewußtsein vor unseren Augen zum Dybbuk geworden ist!“
    Die Tür zum Nebenzimmer ging auf. Elena kam heraus. Sie war totenbleich und wirkte ganz durcheinander. Sie streckte eine zitternde Hand aus. „Jim?“ sagte sie. „Noyes? Wer bist du? Was ist hier los?“
    „Halt die Klappe, Elena!“ sagte Kravchenko.
    In diesem Moment startete Charles einen verzweifelten Gegenangriff, der ihm sofortigen Erfolg bescherte. Noyes hatte sich aus der Ecke seines eigenen Gehirns befreit, in die ihn Kravchenkos eingesperrt hatte. Charles raste durch die Trümmer seines Gehirns und erwischte Jim völlig unvorbereitet. Die beiden kämpften. Kravchenkos Kontrolle war nicht so absolut, wie er das erwartet hatte. Er wurde von den Schaltstellen
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