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Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen

Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen

Titel: Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen
Autoren: Dan Shocker
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»Mademoiselle Sengor«, sagte Philip Marais, »bitte
zum Diktat…«
    Diese Aufforderung tönte täglich mehrere Male über
den internen Lautsprecher in der Anwaltskanzlei, in der sechs
Angestellte tätig waren.
    Nicole Sengor, zweiundzwanzig, langes schwarzes Haar,
Mannequinfigur, griff schon automatisch nach ihrem Block und wollte
ihren Platz verlassen, als sie plötzlich stutzte.
    »He, Lucille… was hat er denn?«
    Lucille war die älteste, eine behäbige Frau, die keine
eigene Familie zu versorgen hatte und immer bis zum Schluß im
Büro blieb. Sie war schon bei den Vorbereitungsarbeiten für
den nächsten Tag, damit alles wie am Schnürchen lief.
    Daß Nicole Sengor am Abend nach sieben noch in der Kanzlei
war, hing damit zusammen, daß wichtige Korrespondenz noch
erledigt werden mußte.
    Draußen war es dunkel geworden, die Straßenlaternen
und die Neonreklamen der gegenüberliegenden
Geschäftshäuser brannten.
    Die grauhaarige Frau blickte irritiert.
    »Was er hat, Nicole? Warum fragen Sie so komisch?«
    »Ist Ihnen denn nichts aufgefallen?«
    »Was sollte mir aufgefallen sein?«
    »Seine Stimme, Lucille… sie klang anders als
sonst.«
    »Nici! Sie träumen«, sagte Lucille mütterlich.
»Kann ich verstehen. Es ist auch schon spät.«
    Nicole Sengor seufzte. »Dafür fängt morgen der
Urlaub an. Da kommt es heute abend auf eine Stunde mehr oder weniger
nicht an… Aber – ist Ihnen wirklich nichts an seiner Stimme
aufgefallen, Lucille?«
    Die Gefragte verneinte erheut.
    Da ließ Nicole Sengor es gut sein.
    Vielleicht hatte sie sich wirklich getäuscht. Aber sie kam
nicht los von dem Gedanken, daß die Stimme ihres Chefs einen
bedrohlichen Unterton hatte. Unheimlich sogar…
    Mit wiegenden Hüften näherte sich die Sekretärin
der gepolsterten Verbindungstür.
    Dahinter befand sich eine zweite, die sie öffnen
mußte.
    Dann erst kam Philip Marais’ Heiligtum.
    Ein großzügiges, mahagonigetäfeltes Büro mit
wertvollen Möbeln und noch wertvolleren Kunstgegenständen
aus Afrika.
    Gemälde und holzgeschnitzte Statuen – und vor allem
Masken. Für Afrika schlug Marais’ Herz. Als junger Mann
diente er in der Legion in Algerien. Von da aus unternahm er Reisen
ins Herz des Schwarzen Kontinents.
    Die geheimnisvollen Dschungel und Eingeborenendörfer in Kenia
und am Kongo hatten es ihm angetan. Er hatte dort rätselhafte
Bräuche kennengelernt, von Mythen und Magie gehört und
verfügte über Kenntnisse, die man in seinen Kreisen nicht
als gegeben voraussetzen konnte.
    Marais’ Schreibtisch stand so, daß der Anwalt mit dem
Gesicht zur Tür saß, durch die Nicole Sengor eintrat.
    »Monsieur, Sie…« Weiter kam die hübsche
Französin nicht.
    Ihre Augen weiteten sich, alles in ihr krampfte sich zusammen, und
ihrer Kehle entfloh ein markerschütternder Schrei.
    Am Schreibtisch saß nicht Philip Marais, sondern ein
widerliches Monster!
    Die ältere Kollegin fuhr wie unter einem Peitschenschlag
zusammen, als der Schrei ertönte, und Nicole Sengor mit heftigem
Ruck die Tür ins Schloß riß.
    »Lucille!« Die junge Sekretärin lehnte bleich vor
Schreck gegen die Tür und berichtete, was sie gesehen hatte.
    Lucille lachte. »Und deshalb laufen Sie schreiend davon,
Nicole?« fragte sie verwundert. »Monsieur Marais hat
erreicht, was er wollte: Sie zu erschrecken! Er hat eine Maske
aufgesetzt und…«
    Nicole Sengor schüttelte heftig den Kopf und löste sich
von der Tür. »Nein! Das war keine Maske. Das Gesicht –
war nicht starr… es hat sich bewegt…«
    Ehe die junge es verhindern konnte, war die ältere Kollegin
an ihr vorbei, riß die Tür auf und betrat den angrenzenden
Raum.
    »Monsieur?« hörte die junge Sekretärin die
Stimme der Kollegin. »Hallo, Monsieur? Wo sind Sie
denn?«
    Dann erfolgte ein Krachen.
    Die Tür flog erneut ins Schloß.
    Der Schrei, der diesmal aus Lucilles Kehle kam, unterschied sich
in nichts von dem, den wenige Sekunden vorher Nicole Sengor
ausgestoßen hatte.
    Doch…!
    Er war länger, schrecklicher und ging in qualvolles
Stöhnen über.
    »Lucille!« Nicole Sengors Stimme überschlug sich,
die Sekretärin zitterte am ganzen Körper. Instinktiv
fühlte sie, daß etwas Furchtbares geschehen war, daß
der Mann am Schreibtisch nicht Philip Marais gewesen sein konnte.
    Im ersten Entsetzen rannte Nicole Sengor einfach los.
    Dann blieb sie plötzlich stehen.
    Totenstille herrschte.
    Die Ruhe, die nach dem grauenvollen Schrei entstanden war, schien
geradezu unnatürlich.
    Nicole
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