Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen

Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen

Titel: Macabros 117: Amoklauf der Verlorenen
Autoren: Dan Shocker
Vom Netzwerk:
machte auf dem Absatz kehrt und schlich auf Zehenspitzen zu
der gepolsterten Tür zurück. Die erste stand noch
sperrangelweit offen, die zweite war eingeschnappt.
    Nicole Sengor starrte darauf, als wollte sie sie mit ihren Blicken
durchbohren.
    »Lucille?« entrann es den Lippen der
Sekretärin.
    Es erfolgte keine Antwort.
    Das Gefühl, daß hinter jener Tür etwas Furchtbares
geschehen war, breitete sich unaufhaltsam aus.
    Nicoles Körper war bedeckt mit einer Gänsehaut, und ohne
es sich erklären zu können, nahm das Gefühl kalten
Grauens zu…
    Dann riß sie sich zusammen, drückte die Klinke und
stieß die Tür mit dem Fuß auf.
    Nicols Blick fiel zuerst auf den Schreibtisch, der fast die ganze
Wand vor ihr einnahm.
    Philip Marais saß nicht mehr auf seinem Platz. Der wuchtige,
hohe Ledersessel war leer.
    Ein Luftzug streifte ihre erhitzte Stirn. Das Fenster zum Hof
stand weit offen… Vorhin – war es noch geschlossen
gewesen…
    Nicole Sengor ging wie in Trance zwei Schritte ins Büro
hinein. Alles an ihr war gespannt. Sie war darauf eingerichtet, beim
geringsten Anlaß sofort die Flucht zu ergreifen.
    »Lucille?« Fragend warf sie einen Blick hinter die
Tür. »Monsieur Marais?«
    Dann schnürte das Grauen ihre Kehle zu, und Nicole Sengor
wollte nicht glauben, was sie sah.
    Hinter der Tür – lag die ältere Kollegin!
    In einer großen Blutlache…
    Lucilles Bluse war aufgerissen, über Gesicht und Brust liefen
breite, tiefe Risse, als wären sie mit einem großen Messer
oder langen Krallen ausgeführt worden.
    Nicole Sengor schrie wie am Spieß. Doch in dem
Bürohochhaus, in dem sich um diese Zeit niemand mehr aufhielt,
hörte sie kein Mensch.
    Was sie im einzelnen tat, brachte sie nachher in chronologischer
Reihenfolge nicht mehr zusammen.
    Ob sie erst in den Korridor lief und brüllte oder den
Telefonhörer zur Hand nahm und verzweifelt die Polizei
alarmierte - das wußte sie so genau nicht mehr.
    Bleich und wie leblos saß sie in einem Besuchersessel im
Vorzimmer und sah, wie die Männer kamen.
    »Kommissar Legrait«, stellte sich ein untersetzter Mann
mit Schnurrbart und dem Geruch nach Zigarren vor.
»Mademoiselle… Sengor?«
    »Oui«, hörte sie sich flüstern. »Da
drin… gehen Sie nur durch… liegt die Leiche… Monsieur
Marias habe ich nirgends gesehen… er ist
verschwunden…«
    Legrait verschaffte sich einen ersten Eindruck von der toten
Büroangestellten, während ein Begleiter sich um Nicole
Sengor kümmerte, die offensichtlich unter einem Schock stand. Es
gelang dem Beamten, die Sekretärin zum Liegen auf dem schmalen
Sofa zu bewegen.
    Dann traf der von der Kripo informierte Arzt ein.
    Er kümmerte sich zuerst um Nicole Sengor, verabreichte ihr
eine Spritze und betrat dann den Raum, in dem die Leiche lag.
    Sie sah furchtbar aus.
    »Haben Sie eine Erklärung dafür, Doktor
Ferrand?« fragte Legrait ohne Umschweife.
    »Sieht aus, als hätte sie ein Raubtier angefallen.«
Ferrand nahm eine erste Untersuchung vor, während Legraits
Begleiter den Raum nach Spuren absuchten. Am Fenster waren deutliche
Kratzer zu sehen.
    Legrait beugte sich hinaus. Der Hof lag zehn Stockwerke unter ihm.
Die Hauswand war glatt, und doch wies einiges darauf hin, daß
jemand auf die Fensterbrüstung gestiegen war, offenbar um
hinauszuklettern und zu verschwinden.
    Philip Marais?
    Ebenso schnell wie ihm dieser Gedanke gekommen war, verwarf er ihn
wieder. Es war ausgeschlossen, daß ein Mensch an der glatten
Wand sich bewegt hatte.
    »Sucht den Hof ab«, bat Legrait zwei Mitarbeiter.
»Vielleicht findet ihr dort etwas… Komische
Geschichte«, konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen.
»Ich nehme mir die Sekretärin noch mal vor.«
    Nicole Sengor hatte den Schock und das Entsetzen
einigermaßen überwunden.
    »Lucille… sie ist tot, nicht wahr?« fragte sie
tonlos, als der Kommissar nähertrat.
    Die junge Frau lag noch auf dem Sofa.
    Legrait nickte flüchtig, zog sich einen Stuhl heran und
blickte ihr ins Gesicht.
    »Ich hätte gern noch ein paar Worte mit Ihnen
gewechselt, Mademoiselle. Fühlen Sie sich imstande, meine Fragen
zu beantworten?«
    »Ich denke doch, Kommissar.«
    »Was genau haben Sie gehört und gesehen? Vorhin am
Telefon klang alles ein bißchen verworren… Nehmen Sie sich
jetzt Zeit und erzählen Sie mir alles der Reihe nach.«
    Nicole Sengor nickte. »Er rief mich zum Diktat. Da kam mir
seine Stimme schon seltsam vor…«
    »Wieso – seltsam?«
    »Verändert… fremd, Kommissar… Ich kann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher