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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
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PROLOG
    E r sah sie tanzen, wild und schnell. Sie warfen die Köpfe herum, malten mit den Händen Zeichen in die Luft, Schweiß perlte auf ihrer Haut. Bei den Mädchen sah er genauer hin. Er versuchte ihre Blicke aufzufangen, aber sie beachteten ihn nicht. Er saß still in einer Ecke, abseits von den anderen, ein gefrorenes Lächeln auf den Lippen. Manchmal wippte sein Fuß im Takt der Musik, so lange, bis er es bemerkte, dann hielt er in der Bewegung inne, straffte die Schultern und zog verächtlich die Luft ein.
    Er hörte, wie sie lachten. Bei den Mädchen klang es schrill, wie ein Kreischen. Ihre Röcke waren kurz, sie trugen Pumps, spitze Absätze, die auf das Parkett hämmerten. Sie zogen hastig an ihren Zigaretten, ihre Lippen leuchteten rot.
    Die Zeit verging, er nippte an seinem Bier, im Gegensatz zu den anderen trank er nicht viel. Einige von den Jungs begannen zu grölen, er verachtete sie dafür. Nun wurden die langsameren Lieder gespielt, das Licht war gedämpft, Paare umklammerten sich, glitten hin und her. Er beobachtete die Gastgeberin, wie sie sich an einen Kerl in enger Jeans schmiegte, ihre Augen schlossen sich vor Verzückung.
    Bald wäre sie allein im Haus ihrer Eltern, er brauchte sich nur zu gedulden.

    Er fuhr mit der Hand in die Tasche seines Jacketts, da bewegte sich etwas, ein letztes Zappeln, es war weich, noch lebte es. Der Griff beruhigte ihn, er konnte warten. Nicht mehr lange und die anderen wären fort.
    Er schloss sich im Bad ein und schnüffelte an den Parfüms und Cremes. Er stellte sich vor, wie die Gastgeberin vorm Spiegel stand, weißbeschmiert und nackt. Er malte sich aus, wie seine Hände Dinge mit ihr taten, beugte sich vor und starrte sein Spiegelbild an, es beschlug von seinem Atem.
    Nachdem er das Bad verlassen hatte, inspizierte er das Haus. Im Obergeschoss entdeckte er einen dunklen Raum, vermutlich das Schlafzimmer ihrer Eltern, und versteckte sich hinter der Tür.
    Unten wurde es allmählich ruhiger. Schließlich glaubte er, dass alle gegangen waren.
    Als auch keine Musik mehr zu hören war, schlich er sich die Treppe hinunter.
    Sie war dabei, die Gläser und Flaschen einzusammeln, die Aschenbecher zu leeren. Er stand plötzlich hinter ihr. Sie fuhr herum.
    »Hast du mich erschreckt.«
    Er starrte sie an.
    »Die Party ist zu Ende.«
    Er antwortete nicht.
    Ein leichtes Stirnrunzeln, das Zucken ihrer Augenlider verrieten ihre Irritation.
    »Du bist doch – wie war noch mal dein Name?«
    Sie hatte ihn nicht eingeladen, musste annehmen, dass er in Begleitung eines anderen Gastes gekommen war,
dabei war er allein. Es gab doch kaum jemanden, der ihn kannte.
    Seine Hand befühlte das kleine erstickte Lebewesen in der Tasche. Er drückte zu. Es gab ein leises knackendes Geräusch, warm lief das Blut über seine Haut. Dann zog er die Hand hervor und hielt dem Mädchen den zerquetschten Vogel hin:
    »Das ist für dich.«
    Ihre Augen weiteten sich.
    Schon war seine Hand dicht an ihrem Gesicht. Da waren Federn, sie waren überall.
    »Besser, wenn du jetzt gehst«, stammelte sie.
    Er grinste nur.
    »Sonst schreie ich.«
    Schrei doch, dachte er, schrei.

ERSTER TEIL

EINS
    D ie Tür war nur angelehnt. Nils Trojan hielt die Waffe im Anschlag und schlich sich in die Wohnung hinein. Ihn empfing ein seltsamer Geruch. Es war eine Mischung aus fauligen Speiseabfällen und etwas, das er zunächst nicht einordnen konnte, bis ihm bewusst wurde, dass es sein eigener Geruch war, beißend und streng, sein Angstschweiß. Ruhig, versuchte er sich einzureden, nur ruhig.
    Er tastete sich durch den halbdunklen Flur, Schutz suchend an der Wand. Da vernahm er ein leises Wimmern, es kam aus dem Zimmer am Ende des Flurs.
    Langsam trat er näher. Er versetzte der Tür einen leichten Stoß mit dem Ellbogen und umklammerte seine Waffe mit beiden Händen.
    Eine Frau saß auf dem Bett, ihre Schultern waren eingesunken, sie schluchzte gedämpft in sich hinein. Das Licht der Nachttischlampe war auf sie gerichtet, der Schatten ihres Kopfes, das zerzauste Haar, übergroß an die Wand geworfen. Aber das Licht war so grell, dass er ihr Gesicht nicht erkennen konnte.
    Trojan atmete tief ein.
    »Haben Sie angerufen?«, fragte er.
    Er kniff die Augen zusammen, aber er konnte sie nicht erkennen.

    »Ist Ihnen etwas zugestoßen?«
    Plötzlich bemerkte er, dass noch jemand im Zimmer war. Er trat hinter dem Vorhang am Fenster hervor. Trojan erkannte die Pistole in seiner Hand.
    Die Frau schluchzte auf.
    »Helfen Sie
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