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Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)

Titel: Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
Autoren: Richard Schwartz
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1. Morgenrot
     
    Wenn die Sonne aufgeht, so sagen die Priester, öffnet sich das Tor zu Soltars Hallen und der Gott erfüllt sein Versprechen den Menschen gegenüber: Auf die Nacht des Todes folgt neues Leben.
    Solange sein Licht die Erde berührt, stehen die Tore zu seinen Hallen offen und ist noch Zeit für die Geister der Toten, zu ihm zu gelangen.
    Hier oben, auf einem hochgetürmten Stapel aus Baumwollballen am Rand des Flusshafens von Gasalabad, schaute ich über die Stadt und ihre Mauern hinweg und sah sein Licht rot aus der Wüste aufsteigen.
    Rot wie das Blut auf meinen Kleidern.
    Der Flusshafen kannte auch zu solch früher Stunde kaum Ruhe, gut ein Dutzend Schiffe lagen hier an den Kais, flussaufwärts warteten zwei weitere Kornkähne aus Kasdir darauf, anlegen zu können. Drei andere wurden gerade entladen.
    Vor Kurzem noch wäre mein Erstaunen groß gewesen, zu erfahren, welche Mengen an Korn diese Stadt jeden Tag verbrauchte. Es hätte mich fasziniert, zuzusehen, wie das Korn entladen, säcke- und körbeweise auf Eselskarren verbracht wurde und wie es sich in einer fast endlos langen Kette aus Gespannen und Lasttieren durch das enge Gedränge hier am Hafen seinen Weg bis zur Kornbörse suchte. Schon lange bevor der erste Kahn des Morgens hier anlegte, hatten dort an der Börse die Händler von Gasalabad über die Kurse entschieden und das Korn bereits verkauft, ob nun als einzelnen Sack oder ganze Schiffsladung.
    Nicht nur Korn wurde verladen, jedes erdenkliche Gut fand seinen Weg hierher, unter anderem auch Baumwolle. Zu festen Ballen gepresst und verschnürt, wurde sie dann vier bis fünf Ballen hoch am Rand des Hafens gestapelt.
    Auf einem dieser Stapel hatte ich mir einen Platz gesucht und saß dort wie auf einem hohen Thron, inmitten all des Trubels und doch seltsam unberührt davon.
    Die Stadt erstreckte sich auch jenseits des Gazar; die Arena befand sich dort auf der anderen Seite und eine Garnison der Stadtsoldaten. Hunderte andere Gebäude drängten sich im Schutz der hohen Stadtmauer, doch ich kannte diesen Teil der Stadt kaum. Nur einmal, mitten in der Nacht, war ich durch diese Viertel zu unserem Haus zurückgekehrt.
    Doch mein Blick galt nicht der Stadt selbst, sondern dem goldenen Licht des Morgens, das sich seinen Weg durch das offene Tor und die Schießscharten bahnte und die Zinnen in einem rotgoldenen Schein aufleuchten ließ.
    Eben noch war der Himmel über den Zinnen von dunkler Nacht überzogen gewesen, jetzt wich sie mit jedem Atemzug dem Tag. Wo vorhin noch das Funkeln der Sterne zu sehen gewesen war, wurde der Himmel immer heller und verdrängte die Dunkelheit.
    In dem Moment, wenn die Sonne die Erde nicht mehr berührt, schließen sich die Tore des Gottes wieder und trennen die Toten von den Lebenden.
    Natalyia war nun sicher vor der Macht des Gottes ohne Namen.
    Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen.
    »Du siehst übel aus.« Zokoras Stimme, dunkel und rauchig, unverwechselbar.
    Es war müßig, darüber zu spekulieren, wie sie mich gefunden hatte. Von all jenen, die ich in der letzten Zeit kennengelernt hatte, verstand ich sie am wenigsten. Klein und zierlich, mit Haut in der Farbe von Ebenholz und dunklen, forschenden Augen, schien sie mir vertraut und zugleich auch unendlich fremd. In ihren Augen fand man einen Willen und eine Stärke, die ihre körperliche Größe vergessen machten. Sie war eine Prinzessin ihres Volkes, eine Priesterin der Göttin Solante, der dunklen Schwester Astartes, eine tödliche Kämpferin mit Magie und Stahl. Und – vielleicht – ein Freund. Ich hatte sie nicht kommen hören.
    »Wo ist Natalyia?«, fragte sie.
    »Sie ist tot.«
    Ich öffnete ein Auge und schaute zu ihr hinüber. Sie saß neben mir, mit dem Rücken am gleichen Ballen, an den auch ich mich lehnte, nur dass sie so gerade saß, dass sie den Ballen gar nicht berührte. Sie trug das Gewand einer Leibwächterin, ein dunkler Schleier schützte ihre Augen. Ich wusste, dass das Licht des Tages zu grell für sie war. Jetzt aber löste sie den Schleier und schaute mich mit diesen dunklen Augen an. Es lag keine Überraschung in ihrem Blick, keine Trauer, nur Akzeptanz, als wäre es etwas, auf das sie lange gewartet hatte. Tief in ihren Augen schimmerte es rötlich.
    »Es war also nicht so einfach wie gedacht?«
    »Doch«, entgegnete ich. »Alle im Tempel sind ertrunken.«
    »Was ist geschehen?«
    »Sie wollte nur sichergehen, dass alle ersaufen, dabei kam sie dem Nekromanten zu nahe. Er
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