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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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Sonnenbrille und einem angesagten Hahnentrittjackett, beide etwa in meinem Alter – nickte uns zur Begrüßung zu, ohne uns allzu viel Aufmerksamkeit zu widmen. »Komm mit«, sagte Howard und legte mir seine Pranke auf die Schulter, »lass uns ins Haus gehen.«
    Beim Drogenkonsum knüpft man schnell Kontakt zu den Menschen. Schnell und oberflächlich. Wir schnupften etwas von dem Heroin – es war nicht sonderlich viel, aber dafür richtig gut, verdammt abgefahrenes chinesisches Wunderpulver –, und dieser Howard hörte gar nicht mehr auf zu reden.
    »Wir versuchen hier … äh … entschuldige … was zu erschaffen, das die Leute so richtig … richtig ausflippen lassen wird. Es wird wie dieser Trip sein, der … bei dem … bei dem, Scheiße, Mann, das ist verdammt guter Stoff, den du da hast, verdammt guter Stoff. Wo kommst du her? Kanada? Die Jungs sind alle aus Kanada, weißt du. Ich … oh, hier haben wir’s ja …«
    Er kramte in den Filmrollen mit dem Material herum, das Anfang des Jahres während Dylans Europatour gedreht worden war. Der Tour, bei der das Publikum ausgetickt war, weil er eine Backingband dabeihatte. In einem der Schlafzimmer hatten sie einen Apparat aufgestellt. Das Ding nannte sich Moviola und sah aus wie eine große Bandmaschine, bloß für Film. Es hatte einen kleinen eingebauten Bildschirm, und man konnte darauf die Filme nach Belieben vor- und zurücklaufen lassen.
    Im Auto hatte Chrissie mir erzählt, dass Howard seit ein paar Monaten hier oben mit Bob – schon wieder mit dem ach so tollen Bob – arbeitete und plante, aus dem Material einen einstündigen Fernsehfilm zu schneiden. Der Typ, der ursprünglich damit betraut gewesen war, hatte – von Dylan in den Wahnsinn getrieben – bereits drüben in England das Handtuch geschmissen, und ich glaube, der gute alte Howard wurde hier oben in den Bergen auch langsam weich in der Birne. Was immer er sich vorher schon reingepfiffen hatte, dank des Heroins war er bald endgültig dicht bis zum Anschlag. Brabbelnd und schwadronierend wühlte er sich durch die Filmdosen – bis er schließlich den Film fand, den er gesucht hatte, und diesen in die Maschine lud. »Hier. Das müsst ihr euch ansehen.«
    Er zerrte mich vor den winzigen Bildschirm. Auf die Bilder eines Zuges, der schnaufend durch die englische Provinz dampfte, folgte eine Horde von Dylan-Fans, die in eine seiner Shows strömten, dann die kurze Aufnahme eines zugedröhnten Dylan in irgendeiner Garderobe, abermals der Zug, danach ein paar Polizisten und schließlich noch eine Show. So ging das immer weiter, keine Sequenz dauerte länger als ein paar Sekunden. Nicht mal die Songs konnte man vernünftig hören.
    »Seht ihr, was ich meine? Jeder Abschnitt, jede Szene gehorcht einer musikalischen Logik, ist Teil eines orchestrierten Ganzen. So wie einzelne Noten einen Akkord bilden.«
    Scheiße, erzählt mir bloß nicht, diese Typen hätten da oben keine Drogen genommen. Der Film war ein einziges Chaos.
    »Ähem, ja«, sagte ich schließlich. »Ganz schön … radikal.«
    »Hey, da hast du verdammt recht, es ist radikal. Das wird die Leute umhauen. Jeder Idiot kann einen beschissenen Dokumentarfilm drehen. Deshalb mussten wir Don ja auch rausschmeißen. Genau wie ich Bob gesagt habe: Wir müssen …«
    »Ich … sorry, Alter … wo ist denn hier der Pisspott?«
    »Oh, gleich da drüben, über den Flur.«
    Vom Heroin ein wenig benommen, verdrückte ich mich. Ich war dankbar, dem Geschwafel zu entkommen und mich ein wenig umsehen zu können. Das Haus sah aus wie ein Hotel in Europa, in Frankreich oder so. Antiquitäten bis unter die Decke. Unmengen abstrakter, irgendwie unfertig wirkender Gemälde lehnten hier und da an Möbeln oder Wänden. Links von mir befand sich ein riesiger, dunkler Wohnraum. Ein paar Meter von der Tür entfernt lag ein gewaltiges Buch auf einem Lesepult – so einem Ding, wie sie in Kirchen stehen. Auf Zehenspitzen schlich ich hinüber und starrte es minutenlang bedröhnt an. Ein paar Seiten waren mit Lesezeichen versehen, und ich schlug eine davon auf: die Offenbarung. Während ich mir den Kopf zerbrach, was das für die nächste Dylan-Platte zu bedeuten hatte, fragte eine Stimme in meinem Rücken: »Kann ich dir helfen?«
    Ich drehte mich um. Der Typ aus dem Billardzimmer – der mit dem Hahnentrittjackett – stand im Türrahmen und beobachtete mich. Von seinen Lippen baumelte ein Joint, dessen Spitze im Halbdunkel leuchtend rot glühte.
    »Ähm, nein,
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