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Die Partie. Thriller (German Edition)

Die Partie. Thriller (German Edition)

Titel: Die Partie. Thriller (German Edition)
Autoren: Mike Wächter
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    Samstag, 3.27 Uhr
    Krähen. Ein halbes Dutzend. Sie saßen auf der Kuppel der Christuskirche und beobachteten den Nebel. Der Dunst lag dicht und düster über den menschenleeren Straßen. Allein der halbrunde Turm des Gotteshauses ragte verlassen aus den Nebelschwaden hervor. Der goldene Engel auf der obersten Spitze blies mit seiner Posaune in die kalte Nacht, um ihn herum lauerten die Krähen. Es war beinahe so, als wollten sie die Menschen täuschen und sie in dem Glauben lassen, es gäbe im Sommer keine Krähen in der Stadt. In Wirklichkeit wohnten sie das ganze Jahr hier.
    Vereinzelt durchschnitt der Schein des Vollmonds den milchigen Brei mit seinen Strahlen und beleuchtete zwei schwarz gekleidete Gestalten. Als die beiden an der Kirche vorbeischritten, erhob sich eine der Krähen mit lautem Krächzen in die Luft. Der Vogel tauchte im Sturzflug in den Nebel ein, als wollte er den Menschen folgen. Doch knapp über ihren Köpfen zog er nach oben und schoss über sie hinweg in die Nacht.
    Die Männer reagierten nicht. Um die Schultern trugen sie schwarze Umhänge, deren Säume bis fast auf den Boden hingen. Die Gesichter der Männer wurden von schwarzen Masken verdeckt. Historische Karnevalsmasken. Ebenfalls schwarz und mit Augenlöchern und geschwungenen Vogelschnäbeln. Wie Figuren aus einer vergangenen Zeit liefen sie an Jugendstilvillen und an Nachkriegsbauten vorbei, die sich beliebig aneinanderreihten, und tauchten dabei immer tiefer in die Mannheimer Oststadt ein. Nach ein paar Metern begegnete ihnen ein torkelnder Passant.
    »Ja – haben wir denn schon Fasching«, lallte er und lachte. Er schüttelte den Kopf und bewegte die flache Hand vor seinem Gesicht hin und her, so wild, dass er das Gleichgewicht verlor und umfiel. Die Männer beachteten ihn nicht. Nachdem er sich einen Moment gesammelt hatte, richtete er sich auf und verschwand in der Nacht.
    An einer Straßenecke blieben die Maskierten stehen. Der Größere griff mit seinen Samthandschuhen unter seinen Mantel und holte aus einer kleinen Sporttasche ein elektronisches Gerät hervor. Er betätigte den Einschaltknopf. Auf dem winzigen Monitor erschien ein undeutliches Bild. Schemenhaft war ein Raum zu erkennen, in dem sich ein breiter Treppenaufgang befand.
    »Die Überwachungskamera vom Eingangsbereich. Wir müssen näher ran, um die Schlafzimmerkamera zu empfangen.«
    Sie überquerten die Straße und stellten sich direkt unter das Schlafzimmerfenster einer Gründerzeitvilla. Jetzt war das Bild deutlich. Es zeigte ein anderes Zimmer. Ein Mann lag einsam in einem Bett und schlief.
    »Ich hatte recht. Er ist alleine.«
    Der Kleinere lachte leise. Er starrte das Monitor-Babyfon an. Er hielt nicht viel von den technischen Schöpfungen der Neuzeit. Aber wenn es seiner Sache dienlich war.
    Der Größere steckte das Gerät wieder ein. Sie schritten durch das eiserne Eingangstor, das ihnen mit einem schwachen Quietschen den Weg in den Vorgarten freigab. Als sie die zehn großen Stufen zum Eingangsportal hochstiegen, zog der Größere sein rechtes Bein nach, was wenig zu seiner sonst athletischen Erscheinung passte. Der Kleinere klingelte.
    »Sind Sie sicher, dass er uns einfach so öffnen wird?«
    »Sicherlich.« Der Antwortende räusperte sich. Dann fügte er in bedauerndem Ton hinzu: »Die Auffassungsgabe des Menschen ist sehr beschränkt.«
    Erneut drückte sein rechter Finger den Klingelknopf. Der Hall des Glockentons drang bis vor die Haustür. Der Größere griff in seine Tasche und holte das Funksprechgerät wieder hervor.
    »Jetzt ist er aufgewacht. Sehen Sie, er sieht um sich, fragt sich, wo er ist – nun kommt er zu sich und steht auf.«
    Mittlerweile klingelte der Kleinere zum siebten Mal. Der Größere schaltete den Monitor aus, steckte ihn zurück in die Tasche und holte stattdessen ein kurzes Stück Seil hervor, nicht länger als 50 Zentimeter. Er wickelte sich ein Ende um die rechte Hand. Als Nächstes griff er nach einem Bolzenschneider, umklammerte den Griff und verschränkte beide Hände hinter dem Rücken. In der Eingangshalle des Hauses ging das Licht an, wie man durch die Milchglasscheiben sehen konnte. Schritte ertönten und näherten sich. Die Tür wurde nur einen Spaltbreit geöffnet. Der Größere blickte auf die Türkette.
    Der zerzauste Kopf eines Mannes mittleren Alters tauchte hinter der Kette auf.
    »Herr Oberbürgermeister, ich wünsche Ihnen einen schönen guten Abend.« Der Kleinere übernahm das Reden. »Wir
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