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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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und ich rauchten den letzten Rest des Heroins, indem wir die braun-schwarzen Klümpchen mit einem gelben Strohhalm über die zischende Alufolie verfolgten, und er legte eine alte Blues-Platte auf, Elmore James oder etwas in der Art, während er mit den Filmrollen herumhantierte. Ich ließ mich in die Couch zurückfallen und nickte im Takt: Dank des Heroins tropfte die Musik wie Melasse aus den Boxen, dicke Bottleneck-Wellen schwappten über meinen Kopf hinweg und trübten meinen Blick.
    Nach einer Weile kam Chrissie, um mich abzuholen. Ich gab Howard meine Telefonnummer, und wir gingen. Sie fuhr meinen Wagen: Mit ausgeschaltetem Radio, das Verdeck offen und die blaue Nachtluft um uns herum, raste der große Lincoln am Ashokan-See entlang. Ich war so high. Ich fühlte mich, als könnte ich die Pumpen und Ventile unter der Oberfläche der Talsperre brummen hören. Hören, wie unter Abermillionen Litern klaren Gebirgswassers die zahllosen Kiesel und Steine in der Strömung aneinanderklackerten.
    Dort unten, auf dem Grund des Stausees, befanden sich auch die bröckelnden Überreste des Örtchens West Hurley, in dem der alte Walter Travers aufgewachsen war. Er machte die Stadt dafür verantwortlich, deren Grenzen 1898 erweitert worden waren, als Manhattan sich mit den anderen Boroughs zu New York City vereinigt hatte. Und eines der Dinge, die New York damals dringend benötigte, waren Milliarden Liter frisches Wasser, und zwar täglich. Also tauchten die Männer hier oben auf. Sie kamen mit Karten, Tabellen, seltsamen Werkzeugen, Instrumenten und einer Vision. Sie beschlagnahmten zehntausend Morgen von Ulster County. Sie stauten den Esopus River. Sie nahmen den Travers und zweitausend weiteren Familien ihr Zuhause. Dann kam das Wasser, überschwemmte West Hurley, zehn weitere Dörfer – insgesamt dreizehn Quadratmeilen Land – und schuf so den Ashokan. Das Wasser strömte bergab, durch den Aquädukt, durch große Rohre dreihundert Fuß unter dem Bett des Hudson, durch Silver Lake und Staten Island, bis ins fast hundert Meilen entfernte Manhattan. Das Wasser strömte bergab, immer auf der Suche nach der tiefsten Stelle, auf der Suche nach dem Weg in die Stadt – und die Künstler und Musiker strömten bergauf in die Catskills, auf der Suche nach … nun, vielleicht einfach nur auf der Suche. Walter sagte, in West Hurley habe es auch eine verdammt gute Bäckerei gegeben.
    Mit dem guten Gefühl, in Howard einen wichtigen neuen Kunden gewonnen zu haben, fläzte ich mich auf den Beifahrersitz und genoss es, durch die dunklen Hügel nach Hause kutschiert zu werden – von einem Mädchen, das ich weder richtig kannte noch mochte.

vier
    »I’m pushing age 73 …«
    In Woodstock gab es viele wie uns: Kids, Anfang zwanzig, ohne Verpflichtungen, mit ein bisschen Geld, das sie mit was auch immer verdienten, und einem gewaltigen Appetit auf das, was Johnny Becker gerne »hochwertige stimmungsgestaltende Mittel« nannte. Wir kamen aus unterschiedlichen Teilen des Landes, in der Regel via New York, im Sommer, angelockt von den günstigen Mieten, den hübschen Häuschen und der Präsenz von Bob Dylan. Alex und Tommy stammten aus Ohio, Chrissie und ihre Freunde aus Kalifornien, Johnny B aus Detroit, die Hawks – mit Ausnahme von Levon – waren Kanadier, Warren und Jeanie kamen aus New England. Ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen. Sie kennen doch diese Floskel, Manhattan sei eine Insel vor der Küste Amerikas? Nun, wir alle teilten das Gefühl, auf einer Insel vor der Küste Manhattans zu leben.
    Johnny B war ein waschechter Junkie, der Erste, den ich jemals dabei beobachtet habe, wie er sich eine Nadel zwischen die Zehen setzte. Aber er war cool und verdammt witzig, extrem smart und echt sarkastisch. 1966 hatten sie ihn in San Francisco wegen Drogenbesitzes verknackt, worauf er sich als Kautionsflüchtling an die Ostküste verdrückte. Er mietete diese kleine Hütte, etwas abseits des Glasco Turnpike, und da er dort keine Heizung hatte, hing er den Winter über ständig bei uns rum. O Mann, zuzusehen, wie Johnny B den kleinen Tommy verarschte, das war immer wieder zum Kaputtlachen.
    Eines Abends, als wir so rumhockten und uns die Rübe zudröhnten, gelang es Johnny, Tommy davon zu überzeugen, die Kommis würden Bromid ins amerikanische Leitungswasser kippen. Bloß geringe Mengen, nichts, was wirklich auffallen würde, jedoch gerade genug, um einen langsam, aber sicher impotent zu machen.
    »Ich sag dir, T, spätestens 1980
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