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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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werden die amerikanischen Männer unserer Generation Schwänze wie Seepocken haben. Wir werden nur noch Luft ejakulieren.«
    »Was ist ejakulieren? «
    »Er meint abspritzen , Tommy«, klärte Alex ihn auf.
    Fassungslos blickte Tommy erst Johnny und dann uns an.
    »Nee, Mann. Die von der … die Regierung würde uns doch sagen, wenn da so ’n Scheiß ablaufen würde.«
    »Bist du bescheuert, Alter?«, sagte Johnny. »Das würde die größte Panik aller Zeiten auslösen. Außerdem könnten sie ohnehin nichts mehr tun. Die Sache ist längst unter Dach und Fach. In zwanzig Jahren werden die Kommis hier einmarschieren und deine Schwester ficken, Kleiner.«
    »Mann, verdammte Scheiße, Johnny, ich hab dir schon mal gesagt, du sollst nicht so über meine Schwester reden!«
    Alex und ich heulten vor Lachen.
    »Wart’s nur ab, ein riesiger kommunistischer Hurensohn mit einem Rohr wie eine verdammte Atomrakete wird dein liebes Schwesterchen durchvögeln, Tommy.«
    »Leck mich, Alter!«
    Wir mussten Tommy von ihm wegzerren. Johnny B wusste nie, wann es genug war.
    Gelegentlich rief meine Mutter an. Keine Ahnung, woher sie die Nummer hatte. Eines Abends klingelte das Telefon, als Alex und ich stoned vor dem Fernseher lagen und die »Smothers Brothers« schauten. Zuerst erzählte sie haarklein, wer von der Verwandtschaft was getrieben hatte – Onkel Soundso war die Treppe runtergefallen, Tantchen Scheißdrauf hatte sich ihre verschrumpelte Gebärmutter rausschneiden lassen (als wenn irgendjemand so ’n Zeug hören wollte) –, bevor sie fragte, wann ich zurück auf die Uni gehen würde, um mein Studium abzuschließen.
    Ich sagte ihr, dass ich mir nicht sicher sei, ob Jura wirklich das Richtige für mich wäre. Dass ich noch etwas Zeit bräuchte, mir darüber klar zu werden. Dass ich mit dem Gedanken spielen würde, mich – vielleicht – nächstes Jahr fürs Herbstsemester wieder einzuschreiben.
    »Eventuell Medizin«, sagte ich.
    Alex prustete, und ich warf einen Softball nach ihm. »Du weißt schon, wie Dad«, ich versuchte, es möglichst neutral klingen zu lassen, wusste aber genau, dass es dieses Gespräch ziemlich schnell beenden dürfte.
    »O ja, das wäre wunderbar, Greg. Aber es bedeutet eine Menge Arbeit, weißt du, so ein Medizinstudium.«
    »Wie geht es Dad?«
    »Ihm geht’s gut.« Ja, ganz bestimmt. »Er lässt dich grüßen.«
    »Hör mal, ich muss jetzt auflegen, Mom.«
    »Okay. Pass auf dich auf.«
    »Du auch.«
    Mit den Worten »Du, mein Freund, bist ein verlogener kleiner Drecksack« warf Alex den Softball zurück und drehte einen neuen Joint.
    Ob ich zurück zur Uni gehen würde? Den Teufel würde ich tun.
    In manchen Wochen während des Sommers machte ich vier-, fünfhundert Dollar Reingewinn. Ich verkehrte mit Leuten wie Paul Butterfield und den Hawks. Selbst Dylan hatte mir ein paarmal zugenickt. Ich hatte drei oder vier verschiedene Sorten Gras unterm Bett und einen Schuhkarton voller Amphetamine und Barbiturate im Wandschrank. Auf dem obersten Regal der Anrichte in der Küche stand ein Honigtopf mit einer dicken, fetten Biene darauf. Darin bewahrte ich mein Heroin auf. »Zeit für ein bisschen Honig«, pflegten wir zu sagen.
    Jetzt liefen die Nachrichten, und die Bilder glichen sich jede beschissene Nacht: große Hubschrauber, die auf staubigen Lichtungen landeten, Leichensäcke, Landkarten, Truppenstatistiken und so ’n Zeug. Mein Vater hatte denselben Scheiß durchgemacht. Als Feldarzt war er ’44 und ’45 durch den Pazifik getingelt, immer hinter den Marines her, wenn diese die Inseln von den Japsen befreiten. Sein Hauptjob hatte darin bestanden, die Jungs so lange mit Morphiumspritzen zu spicken, bis sie aufhörten, nach ihren Müttern zu schreien, während sie verbluteten. »Eine für den Schmerz, zwei für die Ewigkeit«, pflegten sie zu sagen. Manche der Kids konnten auch mit vier oder fünf Granatsplittern von der Größe eines Schnapsglases in der Brust noch eine halbe Ewigkeit schreien.
    Um uns machten wir uns keine Sorgen. Ich war Kanadier – dieser Mist mit den Schlitzaugen ging mich nichts an –, und Alex war untauglich, weil er nur eine Niere hatte. Das behauptete er zumindest. Aber Alex war beunruhigt wegen Tommy, weil der einfach kein Gefühl dafür hatte, wann es Zeit wurde, sich um sich selbst zu sorgen. Seine Chancen standen nicht zum Besten. Er hatte nicht einmal ein Studium, mit dem er sich hätte rausreden können. »Was willst du tun, wenn sie dich einziehen?«, fragte ich
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