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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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und her. Wir bestellten Tequila-Shots und spülten mit kaltem Bier nach, alle redeten durcheinander, wie man es so macht, wenn man neue Bekanntschaften geschlossen hat und verknallt ist. Skye war neunzehn und Studentin im zweiten Jahr. Wir sprachen über Paul Butterfields Band und die Downer, die sie aus dem Badezimmerschrank ihrer Mutter stibitzt hatte. Sie kannte sich aus mit Musik und Drogen. Sie hatte einen kleinen Schönheitsfleck auf der rechten Wange.
    Auf dem Weg zum Klo traf ich Rick an der Bar.
    »Greggy! Was geht, Alter?«
    »Ach, wir zischen nur ein paar Bierchen.«
    »He, kommt zu uns an den Tisch. Du musst unbedingt Levon kennenlernen.«
    Ich linste quer durch den lauten, verqualmten Raum. In einer der Ecken saß ein Haufen Leute um einen großen Tisch herum: Da waren Bill Avis, Richard, Howard und ein paar Jungs, die ich nicht kannte. Einer von ihnen – schlank, bärtig – erzählte gerade eine Geschichte, über die sich die anderen halb totlachten.
    »Klar, Mann. Ich komm rüber.«
    »Mit wem bist du hier?«
    »Ähm, Alex, Warren und …«, ich deutete mit einer vagen Geste in Richtung unseres Tisches.
    »Heilige Scheiße, Mann. Wer ist denn die Braut?«
    »Äh, Skye? Ich glaube, sie ist … Warrens Freundin oder so.«
    »Wow. Bring sie mit.«
    »Sicher, mach ich.«
    O Mann, Weiberhelden wie Rick Danko und Richard Manuel, die mir die Tour vermasselten, waren weiß Gott das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Aber was sollte ich tun? Alle wollten die Typen kennenlernen, die mit Dylan spielten, also gingen wir rüber. Levon, ihr Drummer, der Neue in der Runde, war ein paar Jahre älter als der Rest von ihnen, so Ende zwanzig, und ein waschechter Südstaatler. Ich hatte noch nie zuvor einen getroffen. Man konnte ihm die ganze Nacht zuhören, und es wurde nie langweilig.
    »Greg besorgt das beste Gras hier in der Gegend«, stellte Richard mich vor.
    »Ist das so?«, fragte Levon. »Dann verrat mir doch mal Folgendes, mein Lieber. Hast du schon mal ein Zeug namens Chicago Green in den Fingern gehabt?«
    Ich antwortete, ich hätte davon gehört.
    »Scheiße, Greg, das ist mal ein verdammt feines Stöffchen.«
    »Wirklich?« Ich war ein wenig abgelenkt. Am anderen Ende des Tisches lauschte Rick Skyes Worten. Ihr Gesicht strahlte vor Aufregung, als sie ihm etwas erklärte.
    »Scheiße, ja«, sagte Levon. »Das kannst du mir glauben. Ich habe jedes Gras von New Orleans bis Anchorage geraucht, und dieses Chicago Green ist das beste im ganzen Land. Wenn du mir das Zeug besorgen könntest, wüsste ich das wirklich zu schätzen.«
    »Klar, ich ruf einen Bekannten an.«
    Gegen Mitternacht hatten alle ordentlich einen im Kahn. Die Bar hatte sich etwas geleert, und ein paar der Stammgäste bedrängten die Jungs, etwas zu singen. Eine Gitarre und eine Mandoline wurden aus dem Hut gezaubert. Während sie die Instrumente stimmten, stand ich auf und setzte mich zu Skye.
    »Amüsierst du dich?«
    »Darauf kannst du wetten. Ich hatte ja keine Ahnung, wen du so alles kennst«, sagte sie und tätschelte vertraulich mein Bein.
    »Oh, ich stecke voller Überraschungen.«
    »Na gut, Leute – das hier ist ein Song, den mein Vater mir beigebracht hat«, kündigte Levon an. Und dann legten sie los.
    »Ain’t no more cane, on the Brazos.«
    Ich kannte das Stück – ein Lied, das die Sträflingskolonnen früher bei der Arbeit sangen – in einer Version von Leadbelly, aber das hier klang anders als alles, was ich je zuvor gehört hatte. Levon spielte Mandoline, Rick Gitarre, und sie gaben den Eröffnungs-Refrain dreistimmig zum Besten. Es war für uns alle das erste Mal, dass wir die drei zusammen singen hörten, und ihre Stimmen harmonierten perfekt. Noch nie hatte ich etwas so Rohes und Ungeschöntes aus der Kehle eines Weißen vernommen. Zwar gab es Leute wie Paul Butterfield, die sich solcher Art von Musik widmeten, aber was diese Jungs da machten, war zugleich schwarzer Blues und weißer Country-Soul – vermutlich, weil Levon aus dem Süden kam und Richard diesen Ray-Charles-Appeal hatte. Levon übernahm die erste Strophe. Die Augen geschlossen und den Kopf gesenkt, drosch er auf die Mandoline ein. An seinem Hals standen die Adern hervor, als er mit knurriger Stimme dieses Stück sang, das Jahr zehnte zuvor ein namenloser Schwarzer verfasst hatte, der weder lesen noch schreiben konnte.
    »You should have been on the river in nineteen and ten.
    They were driving the women, just like they drove the men.«
    Sein Gesang
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