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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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Warren, dem Alex und ich eines Nachts auf dem Sunset über den Weg liefen. Er trug einen Anzug, war jetzt leitender Angestellter eines Filmstudios. Keine Frage, Warren war alles andere als unfreundlich, wir dagegen total breit und völlig zugekokst. Unsere Einladung auf einen Drink schlug er aus: keine Zeit. Er würde sich melden.
    Ein Wagen stoppte an der Ampel neben der Bushaltestelle. Noch bevor ich hinsah, wusste ich, was für ein Modell es war – das tiefe, gurgelnde Brummen kam mir vertraut vor. In der Corvette saßen ein paar Kids, offensichtlich auf dem Weg in die Stadt. Die schwarze Straße vor ihnen führte sie in die Nacht. Die Corvette war ein Mittsiebziger-Modell, feuerrot. Nicht so cool wie meine damals. Dröhnend lauter Rock ’n’ Roll schallte dumpf aus dem Wagen, bis jemand das Fenster herunterkurbelte, um eine Kippe rauszuwerfen, die funkensprühend auf dem Bürgersteig landete und vor der Bushaltestelle in den Rinnstein rollte. Dank des offenen Fensters war die Musik nun klarer zu vernehmen, und ich erkannte die Melodie. Die Nummer war vor ein paar Jahren ein Riesenhit gewesen, aber nicht mein Ding – ein Song über zwei amerikanische Teenager namens Jack und Diane. Keine Ahnung, wer ihn gesungen hat. So was interessierte mich nicht mehr. Ich besaß bereits genug Platten.
    Die Ampel sprang auf Grün, der Wagen rauschte davon, und noch immer hing eine Zeile des Songs in der Luft. Eine Zeile, die mir vorher nie aufgefallen war:
    »Oh yeah, life goes on – long after
    the thrill of living is gone …«
    Ich ließ die Worte wirken, und sie sagten mir, was sie jemandem meines Alters, jemandem, der gelebt hatte wie ich, zu sagen hatten. Ich fuhr mit der Zunge über den Gaumen, tastete mit ihr meine Zahnstummel entlang, und jeder einzelne erzählte etwas von den Dingen, die ich getan hatte, und den Orten, an denen ich gewesen war. Nach einer Weile stand ich auf und schlurfte zum Bordstein. Die Zigarettenkippe, die der Junge aus dem Fenster geschnipst hatte, lag glimmend in der Gosse. Als ich mich nach ihr bückte, um sie aufzuheben, fiel es mir schwer – aber nicht, weil ich mich schämte. Scham empfand ich schon längst nicht mehr. Ich spürte auch kaum den Blick des alten Mannes, als ich den Filter – warm und feucht vom Speichel eines Fremden – an meine Lippen führte und daran zog. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sein Starren wirklich mir galt oder bloß dem Bus, dessen bullige Silhouette mit den natriumgelben Scheinwerfern und den orangeroten Blinkern sich aus der Nacht schälte, um uns in seinem warmen Bauch aufzunehmen und dorthin zu bringen, wo immer wir auch hinmussten.

nachwort
    Mein erster Roman, oder genauer gesagt, meine Novelle Music From Big Pink ist so etwas wie ein Kuriosum und in jeder Beziehung ein Erstlingswerk – aber ich habe diesem Buch sehr viel zu verdanken. Und sei es nur meine gesamte Karriere.
    David Barker von Continuum Books orderte das Buch im Winter 2004 für die 33⅓ -Reihe seines Imprints. Unter dem Namen 33⅓ beschäftigen sich unterschiedlichste Musiker und Kritiker mit ausgewählten Rockplatten, die alle mehr oder weniger Musikgeschichte geschrieben haben. Diese Bücher waren durch die Bank sachliche Schilderungen und Analysen der Inhalte und der Entstehungsprozesse dieser Alben. Mit einer Ausnahme: Meat is Murder von Joe Pernice.
    Joe war und ist immer noch Sänger und Songwriter der amerikanischen Band The Pernice Brothers (hören Sie unbedingt ihre Platten an!). Ich hatte seine Band in den 1990ern für den britischen Markt unter Vertrag genommen, damals, in meinem früheren Leben als A&R-Manager. Joe und ich blieben auch danach in Verbindung. Ich war begeistert von seinem Buch, das 2003 erschien – just, als ich der Musikindustrie den Rücken gekehrt und gerade mit einem Roman über meine Erfahrungen in diesem Geschäft begonnen hatte. Meat is Murder ist eine fiktionale Erzählung, der das gleichnamige Album von The Smiths als Ausgangspunkt dient, die Coming-of-Age-Erfahrungen eines jungen Mannes zu erkunden.
    Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Idee für eine Geschichte über einen kleinen Drogendealer, der sich im Umfeld einer erfolgreichen Rockband auf der Höhe ihres Erfolgs rumtreibt. In den zehn Jahren, die ich in der Musikindustrie gearbeitet hatte, waren mir viele solcher Gestalten begegnet, und eine derartige Figur schien mir eine starke wie traurige Parabel zu sein. Als Dealer hat man häufig engen Kontakt mit Stars, man kommt in
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