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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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heiseres Knurren.
    »Hallo, Richard. Ich bin’s, Greg. Greg Keltner.« Er blinzelte in den kalifornischen Sonnenschein und starrte mich ein paar Sekunden lang an, während er im Kopf die Gesichter all der unzähligen Leute durchging, die er in zehn Jahren voller Hit-Platten, Welttourneen und Partys vermutlich kennengelernt hatte. »Scheiße, Mann«, sagte er schließlich, stolperte vorwärts und umarmte mich. Er roch ziemlich übel.
    Er erzählte mir, dass sich The Band aus dem Live-Geschäft zurückgezogen und letztes Thanksgiving in San Francisco ihr allerletztes Konzert gegeben hatten. Viele große Stars erwiesen ihnen die Ehre: Dylan, Neil Young, Van Morrison und Joni Mitchell traten mit ihnen auf. Sie hatten einen Film darüber gedreht, den sie The Last Waltz nannten. Eigentlich drehten sie den Film immer noch. »Das verdammte Ding wird wohl niemals fertig«, sagte Richard. »Warum habt ihr euch entschieden, nicht mehr auf die Bühne zu gehen?«, fragte ich. Wir saßen in seinem kleinen Wohnzimmer. Die zugezogenen Vorhänge sperrten die kalifornische Sonne aus, der Raum war düster und stank. Überall – auf dem Boden, der Couch, dem Tisch – lagen Klamotten, Pizzaschachteln, Aschenbecher und leere Schnapsflaschen herum. Richard durchwühlte das Chaos auf der Suche nach Gläsern.
    »Wenn ich das wüsste, Mann. Das ist Robbies Ding, der Film, dieser ganze Deal …« Er hatte ein Glas und eine Flasche gefunden, kam rüber, schmiss ein paar Klamotten auf den Boden und setzte sich zu mir. »Hör mal, Greg. Es tut mir echt leid, dass ich dir nicht öfter geschrieben habe. Als du da drin warst. Ich wollte wirklich, aber wir …«
    »He, drauf geschissen. Komm schon, lass uns was trinken.«
    Mit zitternden Händen goss er irgendwas in ein schmutziges Glas und reichte es mir. »Cheers.«
    Richard hatte kein Glas, sondern stieß einfach mit der Flasche an, aus der er sofort einen kräftigen Schluck nahm. Ich kippte den Drink runter. Er schmeckte klebrig süß, nach Orange, und brannte im Hals.
    »Fuck …« Ich hustete.
    »Grand Marnier. Das Frühstück der Champions!«, sagte Richard. »Willst du ’ne Line?«
    Ich hatte seit fast neun Jahren kein Kokain mehr genommen. »Klar«, antwortete ich. Er hob einen großen Spiegel vom Boden auf und holte einen Riesenbeutel Koks hervor, locker zwanzig Gramm. »Mann, euch scheint’s ja ganz gut zu gehen!«, lachte ich.
    »Na ja, schon«, gluckste er, »wenn der Deal mit Capitol ausläuft, unterschreiben wir bei Warner. Wir kriegen einen Vorvertrag, zweitausend Scheine die Woche.«
    »Nicht schlecht für fünf Leute.«
    »Nee, Alter: zweitausend für jeden . Über die nächsten zwei Jahre! Fürs Nichtstun.« Er schniefte einen Teil der Line mit einem Strohhalm weg und schob den Spiegel zu mir rüber. Was übrig blieb, hatte immer noch die Größe eines Elefantenbeins. Ich schaffte gerade mal die Hälfte davon und spürte die Wirkung sofort. Es schnürte mir die Kehle zu, als müsste ich mich übergeben.
    Richard wurde langsam wach, regelrecht aufgeregt. »Die Sache ist … es ist ja so, ich glaube nicht, dass es wirklich für immer ist. Wir ziehen uns ein paar Jahre zurück und kommen dann wieder. Robbie ist einfach ausgebrannt. Er und Lee kommen nicht miteinander klar. Wir brauchen einfach eine Auszeit.«
    »Eine Auszeit?«
    »Ja. Wir müssen einfach spielen. Es liegt uns im Blut. Er wird schon wieder zur Vernunft kommen. Warte, ich zieh mir was an, und dann zeig ich dir unser Studio.« Er zog die Vorhänge auf und durchwühlte seine Klamotten, roch an Hemden und Hosen, versuchte, was Passendes zum Anziehen zu finden. Im Tageslicht sah der Raum noch hundertmal schlimmer aus, überall waren Brandlöcher von Zigaretten, überquellende Aschenbecher, Flecken auf dem Teppich. Jane hatte ihn verlassen und die Kinder mitgenommen, ungefähr vor einem Jahr. Er wusste nicht mehr genau, wann es passiert war.
    Es klopfte. »Herein«, rief Richard. Ein Mädchen steckte den Kopf durch die Tür, ohne ganz in den Raum zu kommen. Sie war hübsch, jung und hatte ein Klemmbrett in der Hand. »Hallo, Richard. Martin hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du dieses Interview heute Nachmittag machen kannst.«
    »Ja ja, mach ich später.«
    »Ähm, okay. Kann ich ihm sagen, wann genau?«
    »Später.«
    Sie musterte mich, die Flaschen, den Spiegel, das Koks, und sagte: »Alles klar. Danke.« Dann ging sie.
    Er griff wieder nach dem Strohhalm und zog den Spiegel zu sich rüber. Für einen kurzen Moment
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