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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth
Autoren: Anke Dietrich
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EINS
     
      
     
     
     
     
     
    Ramses konnte kaum den Blick von seinem Tempel der Millionen Jahre abwenden, der sich an die zerklüfteten Felsen auf dem Westufer von Abydos schmiegte. Eine eintausend Ellen lange Prozessionsstraße führte zum Eingangspylon, die beiderseits von widderköpfigen, steinernen Sphingen gesäumt wurde. Majestätisch erhob sich dahinter das Heiligtum über die öde, sandige Landschaft. Der Pylon wurde von zwei riesigen Granitstatuen seiner selbst flankiert, beide in vollem Herrscherornat mit der Doppelkrone auf dem Kopf und den Insignien der Macht, Krummstab und Geißel, gekreuzt vor der Brust. Links und rechts der Statuen ragten jeweils zwei schnurgerade Zedernholzmaste in den Himmel, an denen bunte Fähnchen fröhlich im leichten Wind flatterten. Die beiden Obelisken schienen sich derweil geradewegs in das tiefblaue Firmament zu bohren. Ihre mit Elektrum überzogenen Spitzen reflektierten die Strahlen des Sonnengottes Re.
    Als er den Aufweg zu seinem Tempel erreicht hatte, stieg er vom Wagen. Er war das letzte Mal vor einem Jahr in Abydos gewesen, und schon damals hatte ihm der Anblick seines Tempels den Atem geraubt. In seinen kühnsten Träumen hatte er sich ein solch erhabenes Bauwerk nicht erträumt. Er war der siebente Herrscher, der den Namen
Ramses
trug, und sein achtes Regierungsjahr hatte vor wenigen Monaten begonnen. In all dieser Zeit hatte er sich stets bemüht, es seinem großen Vorbild, Ramses II., gleichzutun, unter dessen glorreicher Herrschaft die Beiden Länder in Wohlstand und Frieden aufgeblüht waren. Es war ihm, Ramses VII., allerdings nicht vergönnt, dieselben Erfolge zu erzielen. Niedrige Überschwemmungen, korrupte, machthungrige Untertanen und feindlich gesinnte Fremdvölker erschwerten es ihm, seinen von den Göttern auferlegten Aufgaben nachzukommen.
    Doch diese düsteren Gedanken beherrschten ihn in diesem Moment nicht. Überwältigt von der Schönheit seines Heiligtums, schritt er bedächtig den gepflasterten Weg hinauf zum Pylon und betrachtete fasziniert den gewaltigen Torbau.
    Das zweiflüglige Pylontor war mit Elektrum und gehämmertem Kupfer verkleidet. Die sie flankierenden Pylone erstrahlten in leuchtenden Farben und zeugten von seinem Gehorsam, den er den Göttern entgegenbrachte. Die wunderschönen Reliefs zeigten ihn in Begleitung der Götter, denen dieser Tempel gewidmet war: Amun-Re, Ptah, Thot, Horus, Seth und natürlich Osiris und dessen Gemahlin Isis.
    Sein Blick schweifte über die angrenzenden Tempelmauern. Die rechte war mit seinen Erfolgen im Krieg gegen die Feinde in der westlichen Wüste geschmückt, wohingegen die linke Seite von der Goldexpedition in die nubische Wüste kündete.
    »Ich bin tief beeindruckt über das, was ich sehe«, murmelte er wie zu sich selbst und legte den rechten Arm um die Taille seiner Gemahlin, die neben ihm schritt. »Nur die Götter selbst können ein solches Kunstwerk befohlen haben.«
    Isis sah zu ihm auf und lächelte. »Ja, Majestät, nur mit der Hilfe und dem Beistand der Götter konnte es gelingen. Sie standen deinen Architekten und Baumeistern zur Seite. Der Große Gott Thot hat ihre Hand geführt, als sie die Pläne für deinen Tempel der Millionen Jahre entwarfen, und der Große Gott Ptah führte die Hand deiner Handwerker, als diese ihn danach errichteten. Die Götter werden erfreut sein zu sehen, dass du ihnen solch eine Ehrfurcht entgegenbringst.« Sie wandte den Blick wieder bewundernd dem Tempel zu.
    »Und wie gefällt dir das Heiligtum, Hori?«, wandte sich Ramses seinem Sohn zu, der links von ihm schritt.
    »Es ist wunderschön, Majestät, doch vor allem bin ich zutiefst beeindruckt, dass neben dem Obersten Vorsteher über die Bauarbeiten Deiner Majestät eine Frau an der Planung beteiligt war. Meritusir ist eine sehr bemerkenswerte Frau.«
    »Ja, das ist sie in der Tat«, erwiderte Ramses gedankenversunken.
    Sie hatten den Eingangspylon erreicht, dessen Tore sich auf halbem Wege weit geöffnet hatten und den Blick auf den Vorhof freigaben.
    Amunhotep, Hohepriester von Abydos und Erster Prophet des Großen Gottes Osiris, trat auf das Eingangspodest, um den König zu begrüßen. Ihm zur Seite standen Meritusir und die anderen Mitglieder der hohen Priesterschaft sowie die beiden obersten Priester, die den Kult am königlichen Ka verrichteten würden. Sie verneigten sich tief vor dem Pharao und folgten ihm, seiner Großen Königlichen Gemahlin und dem Thronfolger auf den Vorhof, wo zwei
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