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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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ihn eines Abends. Tommy dachte eine Sekunde lang nach.
    »Alter, der gute Tommy wird sich schneller nach Alaska verpissen, als du dir ’nen Joint drehen kannst.«
    »Ähm, Tommy, Alaska gehört immer noch zu den USA«, sagte Alex.
    »Nicht zu Kanada?«
    »Nein, Mann.«
    »Gehört es nicht zumindest teilweise zu Kanada?«
    »Scheiße, nein, Tommy.«
    »Mist. Was gehört zu Kanada?«
    »Vancouver? Quebec?«
    »Ja, genau, das hab ich gemeint. Vancouver«, er zog das Wort in die Länge, genoss seinen Klang. »Ihr werdet schon sehen. Ich schlepp meinen Arsch da hoch, Leute. Und verkriech mich in Vancouver, bis es vorbei ist. Macht euch mal bloß keine Sorgen um den guten alten Tommy.«
    Wir bepissten uns vor Lachen.
    Laut Alex hatte Tommy im Highschool-Eignungstest 211 Punkte erzielt. 211 von 2400. Scheiße, ist das überhaupt möglich?
    * * *
    Ich liebte diese trägen Wochenenden in den Catskills. Samstagnachmittags saßen Alex und ich auf der Veranda, grillten Hamburger, tranken Bier und rollten Joints: Mit unserem Barbecue, den Adirondack-Stühlen und dem Geruch von Holzkohle und Pinien fühlten wir uns wie die Ozzy und Harriet der Gegenkultur.
    Unser Haus lag nur ein paar Minuten von der Tinker Street entfernt, also kamen ständig Leute vorbei – einige, um Pillen, Pulver oder sonstige Stimmungsmacher fürs Wochenende zu kaufen, andere einfach, um Hallo zu sagen und mit uns abzuhängen. Manchmal kamen Freunde aus der großen Stadt zu Besuch, auch wenn ich Fifth Floor Dave und seinesgleichen nicht unbedingt dazu ermunterte. Immerhin liefen die Geschäfte hier oben ziemlich gut für mich, und dass diese Jungs hier aufschlugen, wäre dem nicht unbedingt zuträglich gewesen. Letztendlich kamen sie natürlich trotzdem irgendwann: Ende der 60er gab es in Woodstock vermutlich mehr Dealer als Gitarristen.
    Wir hingen hinterm Haus rum, kifften und spielten Football, bis es dunkel wurde. Dann stolperten wir die Straße runter zu Deanie’s und ließen uns volllaufen.
    Es war kurz nach Halloween, und wir saßen gerade draußen und genossen den Tag, indem wir mit Alex’ .22er Woodsman abwechselnd auf unsere Kürbislaterne feuerten, als ein VW-Käfer die Auffahrt heraufgeklappert kam und Warren, ein Freund von Alex aus der Stadt, mit zwei Mädchen ausstieg.
    Mädchen? Mann, was waren das für exotische Schönheiten! Die erste hatte schreiend rotes Haar und trug orangefarbenen Lippenstift. Die zweite war von Kopf bis Fuß in weiße Biba-Klamotten gekleidet: eine wogende weiße Bluse, eine dünne weiße Baumwollhose, Kopftuch, weiße Schläppchen. Sie hatte einen pechschwarzen Pagenschnitt, eine Flasche Rolling Rock in der einen und eine Zigarette mit einer langen schwarz-goldenen Zigarettenspitze in der anderen Hand. Sie sah aus, als wäre sie höchstens achtzehn und geradewegs der Vogue , einem Roman von Truman Capote oder einem Dylan-Song entstiegen. Ist ja nicht zu fassen, dachte ich, du willst uns wohl verarschen, Warren.
    Sie tänzelte auf uns zu, während sie über etwas lachte, was das andere Mädchen sagte, doch auf einmal stolperte sie und segelte in weitem Bogen in den matschigen Rasen. Die Bierflasche schlug auf dem Zementpfad auf und explodierte wie eine gläserne Handgranate. Wir rannten hin, um ihr zu helfen, aber sie lag flach auf dem Bauch und heulte vor Lachen. Es dauerte ein paar Minuten, bis es ihr gelang, sich wieder aufzurappeln. Als sie es geschafft hatte, war sie völlig hinüber . Ich meine, dem Mädel war es gelungen, sich innerhalb von zwei Sekunden total zugrunde zu richten: Sie hatte sich die Hand aufgeschnitten und war von oben bis unten mit Blut, Matsch und Bier besudelt. »Ach du Scheiße«, sagte ich, »geht’s dir gut?«
    Sie wischte sich die Handfläche am Hosenboden ab, wobei sie einen breiten Striemen Blut darauf hinterließ, bevor sie mir mit vollendeter Eleganz die Hand reichte: »Hi, ich bin Skye«, sagte sie. »Dürfte ich dich um ein Bier bitten? Ein Rolling Rock, falls du eins hast?« Ihr Akzent war zauberhaft: Vermont pur, alter New-England-Geldadel. Ich starrte auf meine Hand hinab, ihr Blut überall auf meinen Fingern. Es hatte mich kalt erwischt. Es war Liebe auf den ersten Blick – so richtig kitschig.
    Später, nachdem wir sie bandagiert und mit T-Shirts und Jeans aus meinem Kleiderschrank versorgt hatten, machte sie sich frisch, und wir gingen alle zusammen zu Deanie’s. Es war gerammelt voll, sie spielten Bluegrass, Kellnerinnen eilten mit Tellern voller Steaks und Chili hin
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