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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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eigentlich nicht. Ich habe mich bloß …«
    »Was hast du dann hier zu suchen?«, fragte er mit monotoner Stimme.
    »Verdammt. ’tschuldigung. Ich hab … ich … wollte nur … wer bist du?«
    Er grinste bloß – ein undurchsichtiges, abweisendes Grinsen – und spazierte davon. Der blöde Wichser gab sich völlig gleichmütig. Von unten aus der Halle rief ihm ein Mädchen etwas mit französischem Akzent zu.
    Ich ging zurück in den Moviola-Raum, wo mein neuer Kumpel inzwischen noch mehr Aufnahmen ausgegraben hatte.
    »He«, rief er, als ich reinkam, »ich hab uns Alufolie besorgt. Das Zeug zu schniefen ist die reinste Verschwendung.«
    Auf dem Bildschirm sah man Dylan in einem Hotelzimmer, wie er auf einer dieser neuen Fender-Akustikgitarren einen Song spielte, der mir nicht bekannt war. »Von diesem Kram haben wir Schnittmaterial ohne Ende«, sagte Howard. »Aber wer braucht schon noch eine Doku über ein paar Typen, die Gitarre spielen?«
    Die Kamera schwenkte zum anderen Bett hinüber. Dort, Dylan gegenüber, saß ein hundeelend aussehender Typ, das Gesicht gelb wie ein New Yorker Taxi, und zupfte ein kompliziertes Solo auf einer alten Martin: Es war der Kerl, der mir gerade mehr oder weniger deutlich gesagt hatte, ich solle mich verpissen. »Wer ist das?«
    »Robbie? Er ist Bobs Gitarrist. Du bist ihm unten im Billardzimmer begegnet.«
    »Ah ja, alles klar.«
    So lernte ich Robbie Robertson kennen.
    Der Typ war kalt wie ein Fisch.
    * * *
    Ich sag’s euch, Leute, er war eiskalt . Keiner von den anderen war so drauf. Garth war ein wenig distanziert, aber nicht auf die böswillige Art. Er war einfach älter und schräger als alle anderen. Später kam ich auf den Trichter, dass Robertson sich seine Masche vermutlich von Dylan abgeschaut hatte, oder von Grossman, oder sogar von beiden: Dass es cool ist, sich einfach immer bloß, na ja, total wortkarg zu geben. Man sagte etwas völlig Naheliegendes oder Nettes – ich hatte ihm zum Beispiel ein paar Tipps zur Produktion gegeben, bloß ’nen kleinen Ratschlag –, und er blickte einen durch die Glasbausteine seiner Brille an, als wären einem eben Hörner gewachsen. Oder er starrte geradewegs durch einen hindurch, als wäre man gar nicht da. Genau wie Dylan das machte. Aber sein Gitarrenspiel? Heilige Scheiße. Einfach unfassbar, Mann. Er war gerade mal so alt wie ich, aber er konnte sein Instrument regelrecht zu dir sprechen lassen.
    Das erste Mal, dass ich ihn richtig spielen hörte, nicht auf Platte, sondern hautnah, war eines Nachts in dem pinkfarbenen Haus der Jungs. Stoned, betrunken und total drauf lungerten wir im Wohnzimmer rum, ständig wechselten Joints, Flaschen und Gitarren von einem zum anderen. Im Gegensatz zu Rick, Richard und – später – Levon war Robbie nicht so oft dabei, wenn wir uns volllaufen ließen und irgendwelche Songs daddelten. Er hatte seine Alte zu Hause und trieb sich öfter als die anderen mit Dylan und Grossman rum. Aber nicht in jener Nacht.
    Richard sang irgendwas von Ray Charles – wir standen alle auf Ray Charles, und keiner konnte seine Songs singen wie Richard –, während ein paar von uns auf dem Boden hockten und zuhörten. Robbie hatte sich mit der Akustikgitarre auf dem Schoß in einen Sessel gefläzt und nickte bloß mit, als er sich wie aus dem Nichts plötzlich vorbeugte und dieses unglaubliche Solo aus dem Ärmel schüttelte. Scheiße, Mann, wie von einem Windstoß getragen flatterte seine linke Hand den Gitarrenhals hinauf und verharrte dann bei dieser superhohen Note ganz oben auf der H-Saite. Mit Daumen und Plektrum schlug er sie an und erzeugte diesen unglaublich klingenden, regelrecht weinenden Oberton, indem er die Saite zog, bis sie zu reißen drohte. Seine rechte Hand zappelte in der Luft wie ein angeschossener Vogel, während seine linke auch noch das letzte bisschen Gefühl aus dem gehaltenen Ton herausquetschte.
    Einem der Mädchen, die im Schneidersitz auf dem Boden saßen, entfuhr ein ehrfurchtsvolles »Wow!«. Ich blickte zu Bill Avis, dem Roadmanager der Hawks, hinüber, mein Gesichtsausdruck ein einziges großes »Was zur Hölle?«. Er grinste nur. Er hatte das alles schon gesehen. Aber ich … ich meine, ich war total breit und so, aber Scheiße, mein Unterkiefer hing bis zum Fußboden. Auch wenn wir nicht besonders gut miteinander klarkamen, so konnte ich nicht umhin, diesen Kerl zu bewundern. Als Musiker.
    * * *
    Es war spät geworden in Dylans großer, hölzerner Villa in den Bergen. Howard
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