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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz
Autoren: Christiane Spies
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Schatten, in dem Gábor stand. Seine Augen glühten gelb. »Gábor.« Er knurrte. »Du steckst dahinter.« Obwohl er leise sprach, hörte Gábor seine Stimme so deutlich, als stünde er neben ihm.
    Während mehr als fünfzig Soldaten das Rudel des Ältesten umringten, trat Gábor gesenkten Blickes vor. Er würde Pavel nicht damit provozieren, ihm direkt in die Augen zu sehen. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben. Die menschlichen Soldaten könnten Pavel nicht wirklich zurückhalten, könnten trotz ihrer Übermacht gegen die wölfischen Kräfte seines Rudels nur Minuten bestehen. Doch Pavel war nicht dumm. Ihm musste das Aufsehen bewusst sein, das er mit einem Gemetzel mitten in Buda erregen würde, er musste wissen, dass er mit einem Blutbad unter königlichen Soldaten einen Krieg zwischen Böhmen und Ungarn riskierte.
    Obwohl Gábor einen Steinwurf entfernt war, brandete Pavels Wut wie ein Wintersturm über ihn hinweg. Er ballte die Fäuste, kämpfte mit einem tiefen Atemzug gegen den Instinkt seines Wolfs an, sich zu ducken.
    »Zurück«, zischte er, als Arpad nach vorne drängen wollte. Sie durften Pavel nicht näher kommen, durften ihm nicht die Macht geben, ihre Wölfe zu unterwerfen. Stattdessen bewegte er sich langsam seitwärts, auf die Barke des Königs zu. Sein Rudel folgte seinen Bewegungen wie ein Schatten.
    Pavel trat einen Schritt nach vorne, doch sofort schnitten ihm die Soldaten den Weg ab.
    »Feigling, versteckst dich hinter dem König«, schrie er. Er knurrte und belferte. »Gib mir das Weib!« Anscheinend hatte er Veronika hinter Gábors Rücken erblickt.
    »Sie gehört zu mir.« Gábor erhob seine Stimme nicht und die Worte kamen nur zäh über seine Lippen. Sein Wolf jaulte vor Angst. Doch niemals würde er Veronika hergeben! »Du siehst ihre Haube und den Ring an ihrem Finger. Niemand kann trennen, was der Herr zusammengefügt hat.«
    »Mit deinem Türkenblut schändest du die Prophezeiung«, Pavel spuckte auf den Boden. »Euer Kind wird verflucht sein!«
    Gábor spürte, wie Veronika hinter ihm erzitterte. Er blieb stehen. Er wusste, es war ein Fehler, doch er blickte auf, sah Pavel in die Augen. »Ich bin, wer ich bin«, rief er. »Und unser Kind wird zu Großem bestimmt sein.« Er atmete tief durch. »Ich bin hier, um dir das zu sagen: Wir werden keinem Bund angehören, der unsere Verbindung nicht akzeptiert!«
    »Pah!« Pavel lachte bellend auf. »Glaubst du, mich interessiert, was du willst? Du wirst das Weib nicht mehr anrühren. Du wirst«, seine Augen blitzten zu Arpad hinüber, »den Türken töten. Danach werden wir weiterreden.«
    »Nein!« Gábors Ruf gellte wie ein Vogelschrei über die Köpfe hinweg. Hell und fremd zitterte er in seinen Ohren. Er hielt den Atem an. Keiner der Männer im Hafen regte sich. Selbst der Wind schien zu verstummen.
    »Du wagst es, mir zu widersprechen?« Pavels Brüllen durchschnitt unbarmherzig die Stille. »Komm her und unterwirf dich mir und dem Bund, ich befehle es dir!«
    Gábor verschränkte die Arme, unterdrückte damit das Beben seines Wolfs. Trotz der Distanz fegte Pavels Dominanz wie ein Sturm über ihn hinweg. Er presste die Lippen zusammen. Er durfte dem uralten Instinkt nicht nachgeben, durfte nicht zerstören, was ihm wichtiger war als selbst das Wolfsblut. Ein Schritt, ein Schritt nur, um den Bann zu brechen. Doch als er den Fuß hob, führte er ihn nicht zur königlichen Barke hin, sondern auf Pavel zu. Er hörte Miklos und Arpad keuchen. Für einen Moment schien alles in der Schwebe.
    »Glaubst du wirklich, du kannst Gábor noch dazu zwingen?« Plötzlich trat Veronika vor ihn. Sie hatte den Kopf hoch erhoben. Die Auserwählte, als Einzige widerstand sie Pavels Wut. »Der Bund ist doch nur eine Farce! Du glaubst selbst nicht mehr an ihn. Oder wissen die anderen Ältesten, was Ladislaus in Prag wirklich zugestoßen ist?«
    Pavel verengte die Augen. »Was soll das?«, brüllte er. Sie hatte ihn abgelenkt, seine Wut war nicht mehr länger auf Gábor gerichtet. Er schnappte erleichtert nach Luft und setzte sich in Bewegung. Auf die königliche Barke zu. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Miklos und Arpad ihm folgten.
    »Treib keine Spielchen mit mir, dummes Weib«, rief Pavel.
    Veronika schüttelte den Kopf. »Die Zeit für Spiele ist vorbei«, entgegnete sie. »Keiner von uns wird jemals mehr den Kopf vor dir beugen.«
    Sie fuhr herum und war mit wenigen Sätzen im Boot, wo ihr Rudel bereits auf sie wartete. Ihre grauen Augen blitzten. »Ihr
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