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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz
Autoren: Christiane Spies
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war Paulo. Er schwang sich auf sein Pferd, hob grüßend seine Hand zum Abschied. Sein Gesicht war dunkel, und wie immer blickte er mürrisch, doch Gábor konnte auch die Erleichterung darin sehen.
    Veronika winkte Paulo, und ihrem besorgten Gesichtsausdruck entnahm Gábor, dass sie sich nichts mehr wünschte, als ihn bald wieder zu sehen. Ihn und seine Familie, die ihre einzigen Verbündeten in der Wolfswelt geblieben waren. Und er hoffte, dass er ihr das ermöglichen konnte. Dass sie frei sein würde, dorthin zu gehen, wo ihr Herz sie hinzog, gemeinsam mit ihm. Sie hatten so viel nachzuholen. Doch vorher musste er Pavel ein letztes Mal in die Augen sehen. Er war schon nah, sie spürten ihn alle. Vielleicht blieb ihnen weniger als eine Stunde, bis er in Buda ankam.
    Veronika schob ihre Hand in Gábors. Er beugte sich über sie, küsste ihre Stirn. Dann hörte er es. Er verengte die Augen. Pferde wieherten, Waffen klirrten, als der Tross königlicher Soldaten kam, um sie abzuholen.
    Sie gingen hinunter in den Hinterhof, wo Miklos und Arpad bereits auf sie warteten. Der Hof lag noch in die fahlen Schatten der Morgendämmerung gehüllt, doch die Luft war klar und frisch. In einem der Nachbarhöfe krähte ein Hahn einen verfrühten Morgengruß.
    Gábor sah, wie Veronikas Blick versonnen an der Kapelle hängenblieb, dem kleinen weiß getünchten Gebäude, das zwischen Stall und Küchenbau wie ein verirrter Gast wirkte. In dieser Kapelle hatten sie sich auf der Hochzeit von Mathias und Elisabeth Cilli das erste Mal gesehen, und gestern Abend hatten sie dort vor einem eilig gerufenen Priester den Kreis wieder geschlossen. Liebevoll strich er ihr über die Wange. Ein Band aus Goldbrokat schmiegte sich um ihre Stirn und fasste die Haube ein, die züchtig ihr Haar verbarg. Die Kopfbedeckung zeugte von ihrer neuen Frauenwürde, und wie alle Frischverheirateten trug sie die Haube voller Stolz.
    Die rasche Hochzeit war unerlässlich gewesen, um Pavel und allen anderen Werwölfen Gábors alleinigen Anspruch auf die Wolfsfrau zu signalisieren. Aber auch für sie beide hätte es nichts Richtigeres geben können.
Ich werde immer dein sein.
Dieses Versprechen hatte Gábor Veronika gegeben, und nun, da sie seine Frau war, wusste er, dass sie ihm endlich vorbehaltlos glaubte.
    Sie schwangen sich auf ihre Pferde und ritten hinaus auf die Gasse. Dort warteten die Soldaten des Königs, um sie zum Hafen zu eskortieren. Zu dieser Zeit waren die Straßen noch leer und sie kamen schnell voran.
    Am Hafen stand die Barke des Königs für die Passagiere bereit. Die Werwölfe stiegen von ihren Pferden und näherten sich dem Steg, doch bevor sie ihn erreichten, rief Gábor sein Rudel mit einem leisen Zischen zur Vorsicht auf. Sie zogen sich unter das schützende Vordach einer Hafenscheune zurück, während die Soldaten sich im Schatten der Hafenmauer postierten.
    »Dort!« Er hatte die Augen zusammengekniffen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Donau, am Anlegesteg des Dorfes Pest, tummelten sich Reiter.
    »Pavel.« Miklos legte die Hand auf seinen Dolch.
    Auch Arpad hatte sich wachsam aufgerichtet. Er mahlte mit den Zähnen. »Wir sollten gegen ihn kämpfen«, knurrte er.
    Doch Gábor schüttelte den Kopf. Gegen einen Ältesten kam keiner von ihnen an.
    Er sah prüfend zum Himmel. Der Wind war auf ihrer Seite. Wie Pavel kam er von Pest, so dass der Älteste sie wohl noch nicht riechen konnte. Jedenfalls schien er nicht zu zögern. Pferde wieherten, Kommandos wurden gerufen. Sie beobachteten, wie ein knappes Dutzend Männer auf der gegenüberliegenden Seite in ein Fährboot stiegen. Das Wasser schwappte gurgelnd und gleichgültig, während sie herüberruderten. Gábor duckte sich tiefer, während das Boot endlich am Hafen von Buda anlegte.
    »Im Namen des Königs! Anhalten!« Plötzlich gellte der Befehl des Hauptmanns durch die Luft. Soldaten sprangen über die Mauer, griffen nach Schwertern und Lanzen, Bogenschützen richteten ihre Pfeile auf die Männer, die gerade ans Ufer stiegen.
    »Was soll das?« Pavel brüllte vor überraschtem Zorn. Hinter ihm drängten sich fluchend seine Männer. Sie griffen nach ihren Waffen. Doch Gábor sah, wie der Älteste die Hand hob. Der Blick des Feldherrn glitt stechend über die menschlichen Soldaten, über das königliche Emblem auf ihren Mänteln, dann zurück zum Fährboot, das jedoch niemals schnell genug wäre, um den Pfeilen der Menschen zu entkommen. Plötzlich heftete Pavel seinen Blick auf den
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