Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz
Autoren: Christiane Spies
Vom Netzwerk:
ohne noch irgendetwas vor ihr zurückzuhalten.
     
    Es war nur wenige Stunden später, als sie erwachte. Vor dem offenen Fenster schien hell der Mond. Gábor lag neben ihr, sein Brustkorb bewegte sich im ruhigen Rhythmus des Schlafs. Sein Arm lag über ihrer Hüfte. Sie bewegte sich nicht, sah ihn nur an.
    Seine Gesichtszüge waren im Schlaf weicher als sonst, der geschwungene Bogen seiner Lippen so perfekt, dass sie ihn mit ihrem Finger nachzeichnen wollte. Ihr eigener Körper war warm und weich, schmerzte wohlig unter dem Nachklang dessen, was zwischen ihnen geschehen war. Schlaftrunken lag sie da und spürte ihren Erinnerungen nach. Immer noch konnte sie es kaum glauben, ja, ihr Herz zweifelte noch daran, dass er tatsächlich zu ihr zurückgekommen war. Und vor allem: Würde er bleiben? Ihre Wölfin grollte nichtsdestotrotz zufrieden.
Ich lasse ihn nicht mehr gehen.
    Sie strich über sein dunkles Haar und mit einem tiefen Seufzen erwachte er. Sie kuschelte sich dicht an ihn, und er schloss die Arme um sie. Während sie in seine Wärme gehüllt dalag, flogen ihre Gedanken zu dem, was er ihr gestern erzählt hatte, über Isaccea, über Arpad und über seinen Vater.
    »Königliches Blut«, murmelte sie. »Wer hätte das gedacht.«
    Er musterte sie zögernd, als sei er sich nicht sicher, was sie damit meinte.
    Sie zwinkerte ihm zu. »Kannst du dir vorstellen, dass mir das egal ist? Ich wusste vorher schon, wer du bist.« Sie wurde wieder ernst. Gleichgültig wie tief ihre Verbindung war, sie allein hätte ihm nicht ausgereicht. Anders als sie hätte es ihn zerrissen, mit ihr zusammen zu sein, wenn er damit die Prophezeiung zerstört hätte. Und genau für dieses Ehrgefühl liebte sie ihn. Sie drückte sich an ihn. »Aber ich danke Gott, dass er diesen Weg für uns gefunden hat.«
    »Ich auch«, sagte er leise. »Du bist die Auserwählte. Und die einzige Frau, die ich je lieben werde.«
    »Das Zweite ist mir wichtiger.« Sie lächelte nachdenklich. »Und über das Auserwähltsein mache ich mir Gedanken, wenn ich eines Tages ein Kind von dir erwarten sollte.«
    »Eines Tages?« Seine Augen blitzten. Er strich besitzergreifend über ihre Hüften.
    Ihr helles Lachen verklang, als sich ihre Lippen in einem Kuss fanden.
     
    Der Morgen dämmerte, als jemand gegen die Haustür polterte.
    »Wir sind Soldaten des Königs«, hörte Veronika rufen. »Wir begehren sofortigen Einlass!«
    Mit einem Satz waren sie und Gábor auf den Beinen, ihre Wölfe hellwach.
    Sie hörte Miklos rufen. »Was wollt Ihr von uns?«
    »Uns wurde gemeldet, dass der Regent ermordet wurde.« Erneut polterte jemand gegen die Tür. »Der König befiehlt, dass wir entweder seinen Onkel wohlauf finden oder seinen Mörder festnehmen.«
    Gábor griff nach seinen Beinlingen.
    Veronikas Herz setzte einen Schlag aus. »Du musst fliehen.« Sie stockte. »Wir müssen fliehen.« Und da war noch mehr, eine plötzliche Angst. Würde sie ihn wieder verlieren?
    Er sah sie nicht an. »Zieh dich an«, sagte er. »Rasch!«
    Mit fliegenden Fingern riss sie ein Gewand aus einer der Truhen, die einst ihr gehört hatten. Gábor schlüpfte in Beinlinge und Mantel und stand im Nu wieder lauschend an der Zimmertür.
    Erneut polterte es unten, noch lauter dieses Mal. Splittern und Krachen ertönte, als die Soldaten die Tür aufbrachen. Veronika hörte einen Mann aufschreien, hörte Knurren und Waffengeklirr.
    »Wir müssen über die Stiege!« Sie zog sich ihr Kleid über den Kopf. »In den Hinterhof, von dort kannst du entkommen.«
    Doch Gábor schien sie nicht zu hören. Zu ihrem Entsetzen riss er die Tür auf und eilte auf den Gang hinaus. »Halt!«, rief er. »Miklos, Arpad, kämpft nicht! Lasst die Soldaten hereinkommen.«
    »Nein!« Veronika ließ ihren Gürtel fallen. Sie folgte ihm auf den Gang hinaus. Am Fuß der Treppe stand Miklos, die Hände zu Fäusten geballt. Paulo war neben ihm, er hielt seine Steinschleuder gespannt. Arpad befand sich am Eingang, Dämmerlicht fiel durch die zersplitterte Tür auf sein entschlossenes Gesicht. Einen Arm hatte er um den Hals eines Soldaten geschlungen, in der anderen Hand hielt er einen Dolch. Mehrere Soldaten hielten ihn mit ihren Schwertern in Schach.
    »Aufhören!« Gábor eilte die Treppe hinunter. Veronika blieb dicht hinter ihm. Ihr Herz galoppierte vor Angst, doch ihre Wölfin lauerte mit gebleckten Zähnen. Innerlich verfluchte sie Gábors Verantwortungsgefühl. Sie würde nicht zulassen, dass sie ihr den Gefährten wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher