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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes
Autoren: Hammesfahr Petra
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hin?»
    «Frühstücken», sagte sie. «Keine Sorge, ich bringe dir etwas mit, auch einen Kakao, aber nur, wenn du absolut still bist.»
    Dann schlug sie den Deckel zu.
Er war still, geraume Zeit, mucksmäuschenstill. Er hörte Motoren und Menschen, hätte sich bemerkbar machen können, und wahrscheinlich hätte ihn jemand befreit. Aber
    er rührte sich nicht, vertraute darauf, dass er ein Frühstück bekäme. Erst als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte, schlug er mit seinen kleinen Fäusten gegen das Blech und schrie:
    «Lass mich raus, Frau! Lass mich hier raus!»
    Das tat sie erst auf irgendeinem einsamen, kleinen Rastplatz am Rande irgendeiner Landstraße. Er bekam ein Hörnchen und einen Tetrapack mit Kakao, wurde zum Pipimachen und für ein großes Geschäft, das er sich bis dahin verkniffen hatte, in die Büsche geschickt. Währenddessen säuberte sie mit feuchten Reinigungstüchern notdürftig die Geldscheine und den Kofferraum.
    Als er zurückkam, nahm sie eine Plastiktüte von der Rückbank. Sie hatte eingekauft für ihn, zwei Hosen, ein paar T-Shirts, zwei Garnituren Unterwäsche und ein Paar Sandalen, nicht ganz seine Größe, an Strümpfe hatte sie nicht gedacht. Sie half ihm, den völlig verdreckten Schlafanzug und die Unterhose auszuziehen, obwohl er dabei keine Hilfe gebraucht hätte. Dann säuberte sie mit feuchten Tüchern seine Hände und sein Gesicht. Wischte ihm auch einmal übers Hinterteil, «Jetzt kann man dich wieder unter Menschen lassen, Konni», sagte sie anschließend.
    «So heiße ich nicht», erklärte er.
«Ich weiß», sagte sie. «Aber du siehst so aus.» Dann öffnete sie eine der hinteren Wagentüren. Auf der Rückbank lagen noch einige Plastiktüten. Aus einer zog
    sie ein grünes Plüschtier, einen Dinosaurier. Es war noch ein zweiter in der Tüte.
    «Sven hat mir erzählt, du magst Dinos. Meinst du, er freut sich, wenn er auch einen bekommt? Du musst ihm ja nicht verraten, dass ich ihn gekauft habe. Von mir nimmt er bestimmt nichts.»
    «Warum nicht?», fragte er. Angesichts des Plüschtiers und der anderen Wohltaten fand er sie schon gar nicht mehr so böse.
    «Weil seine Mama nicht wiederkommt», sagte sie.
    Sonderlich überrascht oder schockiert war er von der Auskunft nicht, hatte nur ein schlechtes Gewissen. Der Papa von Sven hatte ihn schließlich gewarnt, was passieren würde, wenn er den Mund nicht hielte. «Hat der Rex Tante Ella totgemacht, weil ich es meinem Papa erzählt habe?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Deshalb bestimmt nicht. Er hat es auch garantiert nicht selbst getan. Die Drecksarbeit überlässt die feige Sau dem Doktor. Dieser verlogene Hund, erzählt mir, es geht ihr gut. Die Bänder wären eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit sie nicht verrät, wo sie ist, wenn sie mit Alex spricht. Ich hab das geglaubt. Mir wird es nur niemand glauben, fürchte ich.»
    «Haben die meiner Mama auch was getan?»
    «Glaube ich nicht», sagte sie. «In den Nachrichten reden sie nur von Ella Godberg und dir. Die Arschlöcher haben das ganze Land in den Ausnahmezustand versetzt. Eine gottverfluchte Scheiße ist das. – Na, jedenfalls sind wir beide erst mal raus aus dieser Scheiße. Jetzt müssen wir nur zusehen, dass wir nicht in die nächste geraten. Hops hinten rein und mach dich ganz klein.»
«Bringst du mich jetzt nach Hause?»
«Nein», sagte sie.
«Warum nicht?»
«Weil da der Teufel los ist», sagte sie. «Und jetzt gib
    Ruhe, sonst musst du in den Kofferraum.» Sie vergewisserte sich, dass er auf der Rückbank von draußen nicht zu sehen war, und setzte sich wieder hinters Steuer.
    Warum sie ihn nicht auf dem Rastplatz zurückließ, wusste sie wohl selbst nicht. Er hätte den nächsten Autofahrer, der anhielt, ansprechen können und wäre in Sicherheit gewesen. Aber sie meinte, ein sicheres Plätzchen zu haben, ein kleines Haus in Eupen, wo sie die letzten Tage als Nurten Özdemir verbracht hatte. Dass Odenwald von diesem Häuschen wusste, betrachtete sie nicht als Risiko, war überzeugt, eine Spur gelegt zu haben, die bald zur Festnahme führen müsste.
    Sie hatte am vergangenen Morgen am Flughafen KölnBonn einen Leihwagen genommen, ihren eigenen Führerschein und eine auf ihren Namen ausgestellte Kreditkarte vorgelegt. Allerdings hatte sie nicht ihre Hamburger Adresse angegeben, sondern die der alten Villa in Rendsburg. Bei dem Saufgelage am vergangenen Abend hatte sie den Männern ein rasch und nachhaltig wirkendes Betäubungsmittel in die Getränke
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