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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes
Autoren: Hammesfahr Petra
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wusste ja nicht, wie sie hieß. «Du darfst mir nix tun. Mein Papa ist Polizist. Wenn du mich totmachst, sperrt er dich ganz lange ein. Oder er schießt euch alle tot.»
Damit hatte er sie erschreckt, so sah es jedenfalls aus, als sie sich wieder umdrehte. «Ehrlich?», fragte sie. «Oder willst du mir nur Bange machen?»
«Ganz ehrlich», sagte er. «Er ist sogar bei der Kriminalpolizei.»
Sie legte eine Hand vor den Mund, als sei ihr nun sehr bange. «Ja, wenn ich das vorher gewusst hätte. Was machen wir denn nun mit dir?»
«Wenn du mir was anderes zu essen bringst und noch mehr zu trinken», schlug er vor, «sag ich meinem Papa, dass du lieb zu mir warst. Dann tut er dir bestimmt nix.»
«Was willst du denn essen?», fragte sie.
«Ein Brot mit Leberwurst und einen Kakao», sagte er.
Und sie schüttelte bedauernd den Kopf. «Tut mir Leid, Kleiner. Ich weiß nicht, wo ich jetzt ein Leberwurstbrot oder Kakao hernehmen soll. Dann wird wohl nichts aus unserem Deal.»
Von nebenan brüllte Rex: «Mach nicht so lange rum, drück ihm die Gurgel zu.»
«Nicht so hastig», rief die Frau zurück. «Du hattest deinen Spaß. Jetzt darf ich mich amüsieren. Und wir haben eine Menge Zeit, in den nächsten Tagen können wir nicht weg.»
Dann ging sie, kam noch einmal zurück mit einem Teller, auf dem ein paar Pizzareste lagen, von denen sie die Bissspuren abgeschnitten hatte, und einer vollen Dose Cola. Diesmal sagte sie nichts, stellte nur den Teller und die Dose vor ihn hin.
Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte und halbwegs satt war, musste er Pipi und rief nach ihr: «Frau, lass mich mal raus, ich muss mal!»
Antwort bekam er nicht, hörte sie nur nebenan lachen. Da er nicht in die Hose machen wollte, suchte er sich die Zimmerecke aus, die am weitesten von seinem Laken entfernt war, und erledigte das dort. Dann rollte er sich auf seinem Laken zusammen und hörte sich die Unterhaltung in der Küche an.
Der kleine Mann trug nichts dazu bei. Rex sagte auch nicht viel, meist sprach die Frau. Sie fand es lustig, dass sie alle im Fernsehen waren. «Hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich mal so populär werde», sagte sie und verlangte: «Hey, schlaf nicht ein, trink noch einen Schluck. Ist noch was in der Flasche? Ich mache noch eine auf, das muss gefeiert werden.»
Schlafen wollte er auf gar keinen Fall, um nicht den Moment zu verpassen, wenn Papa kam. Aber es kam niemand, nebenan wurde es still, und irgendwann schlief er doch ein, kein Wunder, wo er in der vergangenen Nacht nicht geschlafen hatte.
Er wachte erst wieder auf, als ihm ein Stück Stoff zwischen Lippen und Zähne geschoben wurde. Ehe er sich versah, war das Laken um ihn gewickelt. Er wurde hochgehoben, weggetragen und in einen Kofferraum gelegt, in dem schon eine große Tasche lag. Über ihm schlug der Deckel zu, noch ehe er richtig erfasst hatte, was geschehen war.
Zuerst rollte das Auto nur ganz langsam, als ob der Motor kaputt wäre und es geschoben würde. Das bot ihm die Gelegenheit, sich aus dem Laken zu befreien, den Stoff aus seinem Mund zu ziehen und den Kofferraum zu erkunden. Doch außer der Tasche war nichts da. Und in der Tasche war nur dünnes Papier. Er räumte sie aus bis auf den Boden.
Das Auto blieb kurz stehen. Der Kofferraum wurde nicht aufgemacht, der Motor sprang an, und es fuhr doch noch richtig. Und wie, wahnsinnig schnell. Er wurde tüchtig hin und her geschüttelt, stieß sich den Kopf an einem Radkasten und die Schulter an der Tasche. Wieder war es eine sehr lange Fahrt, und ihm wurde furchtbar übel von der Rüttelei. Er konnte nicht anders, musste die Pizzareste und die Cola wieder ausspucken.
    Als das Auto endlich anhielt, stand es in einem Parkhaus. Das sah er, weil die böse Frau den Kofferraumdeckel öffnete. Draußen war es hell. Sie hatte sich verkleidet, ein Tuch um den Kopf gebunden und einen langen, blauen Mantel an, wollte wohl nur etwas Geld nehmen, das nun im ganzen Kofferraum verteilt und mit Erbrochenem beschmiert war. Sie schaute ihn wütend an, rümpfte angeekelt die Nase und schimpfte: «Was ist denn das für eine Sauerei, du Ferkel?»
    «Da konnte ich nix für», verteidigte er sich. «Wenn ich vorne sitzen darf, wird mir nie schlecht. Darf ich jetzt vorne sitzen?»
    Sie antwortete nicht, suchte ein paar Geldscheine zusammen, die nicht bespritzt waren, verlangte noch: «Mach bloß keinen Krawall», und wollte den Deckel wieder schließen.
    Er stemmte beide Hände dagegen. «Wo gehst du denn
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