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Mit den Augen eines Kindes

Mit den Augen eines Kindes

Titel: Mit den Augen eines Kindes
Autoren: Hammesfahr Petra
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wie er vorgab, bezweifle ich. Die Aufrufe in sämtlichen Medien konnten die Täter auch veranlasst haben, sich Oliver schnellstmöglich vom Hals zu schaffen, wenn sie das nicht ohnehin sofort getan hatten.
    Die Suchaktion in der Umgebung wurde mit Tagesanbruch wieder aufgenommen. Um sechs Uhr in der Früh kamen zwei Kollegen aus Köln. Rudolf und Helga Beske fuhren zurück nach Hürth, waschen, umziehen, mal hören, wie die Dinge standen. Mit den Kölner Kollegen ins Gespräch zu kommen, war mir nicht möglich. Hanne saß immer noch im Bett, mit ihr konnte ich auch nicht reden, fühlte mich wie abgeschnitten vom Leben.
    Schon um acht kam Helga Beske zurück, brühte mehrere Kannen Kaffee auf und setzte sich mit einer zu Hanne ins Schlafzimmer. Und während sie in ihrer unnachahmlichen Art die nette Tante mimte und Hanne ein Märchen nach dem anderen erzählte, sortierten Schmitz und Rudolf in der Dienststelle die Hiobsbotschaften.
    Am vergangenen Abend war in einem Waldstück bei Osnabrück Müllers VW-Bus entdeckt worden. Ella Godbergs sterbliche Überreste lagen nicht weit davon entfernt im Unterholz, nur notdürftig mit Laub und etwas Erde abgedeckt. Der ersten Schätzung eines Gerichtsmediziners nach konnte sie nach ihrer Entführung im Höchstfall noch zwei Tage gelebt haben.
    Von Oliver, Odenwald und Bronko gab es noch keine Spur. Bisher aus der Bevölkerung eingegangene Hinweise bezogen sich nur auf Maren. Bei der Kölner Polizei hatte sich eine ältere Dame gemeldet. Am 27. Mai – dem Dienstag, als ich zum ersten Mal ins Hotel zitiert worden war – hatte sie den gut erhaltenen, dunkelblauen Mercedes ihres verstorbenen Mannes an Maren verkauft. Maren hatte versprochen, sich beim Straßenverkehrsamt um die Abmeldung des Wagens zu kümmern. Das hatte sie jedoch nicht getan. Wo sie den Mercedes bis zum vergangenen Samstag abgestellt hatte, ließ sich nicht klären.
    Nun stand er in einem Parkhaus am Flughafen KölnBonn, mit arg ramponierter Fahrerseite. Und Schmitz ging davon aus, dass Maren gestern Morgen in irgendeinen Flieger gestiegen war. Er ließ alle Flüge überprüfen, Fehlanzeige. Unter ihrem eigenen Namen hatte sie sich nicht abgesetzt. Aber es war davon auszugehen, dass sie längst falsche Papiere hatte.
    Die belgische Polizei in Eupen gab die Aussage eines Tankstellenpächters durch, bei dem Maren am vergangenen Morgen in aller Herrgottsfrühe getankt hatte. Da war der Mercedes noch nicht beschädigt gewesen.
    Ein Krankenpfleger auf dem Weg ins Klinikum Aachen hatte beobachtet, wie Maren – aus Richtung der belgischen Grenze kommend – mit rasanter Geschwindigkeit und Handy am Ohr auf der Überholspur von der Fahrbahn abkam, die Mittelleitplanke touchierte und ins Schleudern geriet. Sie hatte den Wagen wieder unter Kontrolle und zum Stehen gebracht. Der Krankenpfleger hatte ebenfalls angehalten und sich erkundigt, ob sie Hilfe brauche. Nein, brauchte sie nicht.
    Davon erfuhren wir in Kerpen erst einmal nichts. Am frühen Abend wurden die Kölner Kollegen – ich habe mir ihre Namen nicht merken können, obwohl sie den ganzen Tag da waren – abgelöst. Auch Helga Beske verabschiedete sich.
    Die Nacht zum Mittwoch verbrachte ich auf der Couch im Wohnzimmer. Hanne wollte allein sein. Als es in der Früh zu dämmern begann, erschien sie bei der Tür. Den alten Bademantel hielt sie mit beiden Händen vor der Brust zusammen. Einer der Beamten aus Köln war im Sessel eingenickt, der zweite döste neben dem Telefon.
    «Wenn ihr alle schlaft», fauchte Hanne, «kann das Telefon ja noch hundertmal klingeln.»
Es hatte nicht geklingelt, aber Hanne ließ sich das nicht ausreden. Sie ging kurz aufs Klo, danach wurde sie energisch. «Ich pass jetzt hier auf.»
Der Mittwoch: Man lebt automatisch weiter, isst etwas, trinkt Unmengen Kaffee und schläft trotzdem ein, wenn die Erschöpfung überhand nimmt. Man wacht auf voller Entsetzen wie Hanne, weil man glaubt, nein, weil man fest überzeugt ist, gerade hätte das Telefon geklingelt. Es klingelte nicht. Und es kam ein Punkt, da hätte ich Rex die Hand geschüttelt, ihm die Füße geküsst und mich bei ihm bedankt, weil er so rücksichtsvoll mit Hanne umgegangen war. Ich konnte nachvollziehen, was in Alex Godberg vorgegangen war, als er fragte:
«Wer soll sie denn hetzen, wenn Sie sich nicht einmischen?»
Ich hätte jetzt dasselbe gesagt. «Lasst um Gottes willen die Kerle in Ruhe. Wie sollen sie mir meinen Sohn denn lebend zurückgeben, wenn ihr sie jagt?»
Um
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