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Todeszeiten (German Edition)

Todeszeiten (German Edition)

Titel: Todeszeiten (German Edition)
Autoren: David Baldacci
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    Frank Becker war außergewöhnlich gut in seinem Job, und es machte ihn sehr stolz, so außergewöhnlich gut zu sein. Die Aufträge seiner Klienten nahm er zuverlässig entgegen und führte sie mit Professionalität und Detailgenauigkeit aus. Das tat er nicht nur, um seinen guten Ruf aufrechtzuerhalten. Es war sehr in Beckers Interesse, sich in Details hineinzuknien, ja sich wirklich zwanghaft mit ihnen zu beschäftigen, damit er überlebte.
    Er war ein kleiner Mann mit einem Ego, das um vieles größer war als seine Körperlänge. Das einst fette Baby hatte sich zu einem schlanken Erwachsenen entwickelt, der stets planmäßig vorging und in keinem einzigen seiner Lebensbereiche der Maßlosigkeit verfiel. Er war alleinstehend, führte ein ruhiges Dasein – außer wenn er arbeitete – und hatte viel von der Welt gesehen, denn in seinem speziellen Fachgebiet gab es keine Grenzen. Er ging davon aus, dass er niemals heiraten würde, weil dies Komplikationen mit sich brächte, und er wünschte sich keine Kinder, weil dies unsinnig wäre.
    Jetzt stand er draußen auf dem Bordstein vor einem modernen Gebäude im Herzen einer Stadt, die schon glücklichere Tage gesehen hatte. Aber sie erlebte gerade ein Comeback – soweit Stahl, Asphalt und Beton sowie Einwohner eine zweite Chance haben können. Außerdem war es eine historische Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten von kultureller Bedeutung, die Touristen anziehen konnten.
    Becker kümmerte sich um nichts davon. Er war nur aus einem einzigen Grund hierhergeflogen, und es hatte nichts mit Touristenattraktionen oder zweiten Chancen zu tun.
    Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch durch die Nasenlöcher aus, genauso wie er es bei seinem Vater beobachtet hatte, als Becker noch ein Kind gewesen war. Viele Jahre lang hatte er immer wieder und wieder versucht, wie sein Vater den Rauch aus seinen Nasenöffnungen herauszublasen. Während einige Söhne das Rasieren pantomimisch nachahmten, derweil sie ihrem alten Herrn zuschauten, hatte Becker genau beobachtet, wie sein Dad rauchte und den Dunst ausstieß, und sich dabei die Technik und den zeitlichen Ablauf ins Gedächtnis eingeprägt. Und im Alter von sechzehn Jahren hatte er sein Ziel erreicht, allerdings nicht, ohne einige Male trocken zu husten. Inzwischen war er ein Experte darin geworden, den Rauch durch die Nasenöffnungen auszuatmen, und er tat dies mit einer gewissen Eleganz. Das war eine von nur zwei Gepflogenheiten, die ihn ein wenig aus der breiten Masse hervorstechen ließen. In jedem anderen Bereich seines Lebens verschmolz er ganz mit ihr. Die unauffälligen Anzüge, die er trug, die geringe Lautstärke, mit der er sprach, kein Merkmal, durch das er auffiel, und der leere Ausdruck in seinen Augen führten absichtlich dazu, dass niemand ihm je Aufmerksamkeit schenkte. Er entfernte gerade ein Stückchen Tabak von seiner Zunge, als sich sein Blick, der wie eine verlöschende Glühbirne flackerte, auf den großen, dünnen Mann in dem erstklassigen Anzug richtete, wo jede Manschette einen genau gleich großen Randstreifen eines weißen Hemds unter dem Jackett hervorschauen ließ. Der Mann schob sich durch die gläsernen Doppeltüren des innerstädtischen Bürogebäudes und ging die Straße hinunter. Bei einem Straßenhändler kaufte Becker eine Zeitung und marschierte in dieselbe Richtung.
    Der Mann war ein wohlhabender und zufrieden aussehender Herr – hauptsächlich, weil er sehr erfolgreich in dem war, was er tat. Unter anderem gehörte ihm auch das Gebäude, das er gerade verlassen hatte. Er hatte ein Menge Geld angehäuft – alles davon legal – und verschenkte einen großen Teil davon für karitative Zwecke. Er war mit einer schönen, kultivierten Frau verheiratet und hatte mit ihr drei vielversprechende Kinder, die schon bald ihre positiven Spuren in der Welt hinterlassen würden. Er hatte nur wenige Feinde. Doch Becker wusste, dass es nur einen entschlossenen Widersacher brauchte, um ein ganzes Leben zu verändern.
    Becker faltete die Zeitung in der Mitte zusammen und trug sie unter seinem linken Arm, sodass sein rechter frei blieb, um den Regenschirm, den er mit sich führte, hin und her zu schwenken. Heute sah es nicht unbedingt nach Regen aus, aber an diesem Morgen hatte die Wettervorhersage gewarnt, dass ein Gewittersturm aufziehen könnte. Becker trug Handschuhe, obwohl es an diesem Tag nicht kalt war. Dies war die zweite Gepflogenheit, die aus dem Rahmen des Unauffälligen fiel; aber
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