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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß
Autoren: Othmar Franz Lang
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Sohn.
    Der schüttelte den Kopf. »Ich hab’ ihm zugesehen, wie er sich Pfeil- und Speerspitzen mit einem Knochen schlug. Er paßte auf, daß mir kein Splitter ins Auge sprang. Und die Pfeile schabte er so lange mit einem scharfen Stein, bis sie ganz glatt waren, wie gedrechselt.«
    Merle Apperson nickte. »Seine Geräte haben damals schon die Landvermesser sehr bewundert. Die konnten sich nicht vorstellen, wie er das ohne richtiges Werkzeug derart präzise hinbrachte.«
    »Komisch«, sagte Dave.
    »Was ist komisch?«
    »Daß wir ihn nie zu Gesicht bekommen haben. Und er war gar nicht weit von uns.«
    Ishi kam mit Dr. Pope vom Fluß zurück. Sie hatten die neue Harpune ausprobiert.
    Dr. Pope war überglücklich, zum erstenmal hatte auch er einen Fisch und nicht nur Wasser gespießt.
    »Passen Sie auf«, sagte er zu Kroeber, »wenn wir hier abfahren, bin ich ein Yahi. Und er ist mein Häuptling.«
    »Und was sagst du dazu?« fragte Kroeber Ishi.
    Ishi lächelte. Heute wollte er dem big chiep und Watamany zeigen, wie er sein Hirsch-Stew kochte. Da kein Kochkorb vorhanden war, mußte er einen Kochtopf nehmen. Er holte sich etwa eigroße Kiesel vom Fluß, füllte den Topf zur Hälfte mit Wasser, erhitzte die Steine, schnitzte sich einen Gabelast, legte dann das Fleisch und wilde Zwiebeln und wilden Lauch in das Wasser und hob einen Stein nach dem anderen aus der Glut in den Topf. Singend zischten sie auf. Beim fünften Stein etwa begann das Wasser zu sieden und »pukka-pukka« zu machen, ein, zwei Steine noch dazu, fertig.
    »Suppe klar, Gemüse nicht zerkocht, Fleisch zerfällt nicht.« Ishi strahlte, als es den anderen schmeckte. Hier war sein Land. Hier mußten ihn die Professoren und der Doktor fragen, in San Francisco hatte er nicht gewußt, was tun. Schon am nächsten Tag wollte Watamany pukka-pukka kochen. Er machte fast alles wie Ishi, hatte nur vergessen, daß die Steine Wasser verdrängen, er warf acht oder gar zehn ins Wasser, ohne daß dieses auch nur die geringste Lust zeigte, pukka-pukka zu machen. Der Topf mußte übers Feuer gehängt werden.
    »Begreifen Sie das?« fragte Waterman Kroeber. »Ich begreife das nicht.«
    »Deine Steine waren kalt«, sagte Ishi. Und er war wieder der fröhliche Ishi, der gern neckte und geneckt wurde. Und nicht der Ishi mit dem grauen Gesicht und den brennenden Augen im Versteck des Grizzlybären, in Wowunupo mu tetna.
    Die letzten Tage streiften sie auf ihren Pferden durchs Land, hin zum Mount Lassen, Ishis Waganupa. Er beeindruckte vor allem den jungen Saxton Pope, der noch nie einen Dreitausender aus der Nähe gesehen hatte. Als sie an den Felsblöcken vorbeikamen, wo Ishi die Asche seiner Mutter verscharrt hatte, blieb er zurück und sog die würzige Bergluft ein, als wäre in ihr noch ein Hauch seiner Mutter, dann stieß er dem Pferd sanft seine bloßen Füße in die Flanken, und er holte die anderen ein.
    »Ist irgendwas?« fragte Dr. Pope und musterte Ishi besorgt.
    Ishi schüttelte lächelnd den Kopf.
    Waterman wollte zur sogenannten Kingsley Cave, zur Kingsley-Höhle, dort hatte etwa 1870 das letzte Massaker stattgefunden.
    Der junge Saxton Pope lenkte sein Pferd zu Waterman. »Was ist ein Massaker?«
    Waterman überlegte. »Ein Massaker? Das ist ein Gemetzel, ein Massaker spielt sich meist zwischen Wehrlosen und Bewaffneten ab.«
    »Ich würde sagen«, begann sein Vater, »bei einem Massaker gibt es keinen Kampf. Es ist ein reines Hinschlachten, bei einem Massaker wird nur um des Tötens willen getötet, und meist nur deshalb, weil der andere anders ist. So haben die Römer die Christen massakriert, Christen wiederum Juden, und dann wieder Christen andere Christen. Ich erinnere mich da an die Schule, Geschichte. Albigenser nannte man sie, sie standen im Gegensatz zur Lehre des Papstes in Rom. Der Papst schickte ein Heer gegen sie, und die Leute, Irrgläubige und Rechtgläubige, flohen in die Kathedrale von Albi. Der päpstliche Legat gab den Befehl, die Kathedrale in Schutt und Asche zu legen. Als man ihn fragte, ob nicht auch Rechtgläubige unter den Leuten in der Kirche sein könnten, antwortete er, ich sehe noch meinen Geschichtslehrer, wie er das sagte: >Verbrennt sie alle, der Herr wird die Seinen schon erkennen.<«
    Ishi verstand kaum etwas von dem Gespräch. Er mußte nicht fragen, was ein Massaker ist. Er war dank seiner geistesgegenwärtigen Mutter mehreren entkommen.
    Plötzlich hielt er an.
    »Was ist?« fragte Pope und musterte den Felsen hinter
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