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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
Autoren: Joe R. Lansdale
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Prolog
    Nachrichten verbreiteten sich nicht besonders schnell. Nicht damals. Nicht über das Radio und nicht über Zeitungen. Nicht im Osten von Texas. Die Dinge waren anders. Was in einem Ort geschah, drang meistens nicht über ihn hinaus.
    Neuigkeiten, die die Welt erschütterten, erschütterten auch uns. Aber über schreckliche Dinge in Bilgewater Oregon, die uns nicht betrafen, mussten wir nichts wissen, auch nichts über solche am anderen Ende des Staates, in El Paso, oder oben im Norden, im gottverlassenen Amarillo.
    Heute muss ein Mord nur besonders schrecklich sein oder sonst nicht viel los in der Welt – schon kennen wir alle jedes schmutzige Detail, selbst wenn es sich bei dem Mordopfer um einen Gemüsehändler aus Maine handelt, mit dem wir nie etwas zu tun hatten.
    Damals, in den dreißiger Jahren, konnte es passieren, dass ein paar Bezirke weiter ein Mord geschah, von dem man nie etwas erfuhr, wenn man nicht zufällig mit dem Opfer oder dem Täter verwandt war. Wie gesagt: Nachrichten brauchten ziemlich lange, und jeder Bezirk sprach und vollstreckte seine eigenen Urteile.
    Es gab Zeiten, wo es besser gewesen wäre, wenn Nachrichten sich schneller verbreitet hätten, oder wenn sie sich überhaupt verbreitet hätten. Auf der anderen Seite: Hätte das auch nur den kleinsten Unterschied gemacht? Was geschehen ist, ist geschehen. Und sogar jetzt, im Alter von achtzig Jahren, während ich hier liege, im Zimmer eines Seniorenheims, dessen Luft geschwängert ist von dem Geruch meines zerfallenden Körpers, während ich auf eine meiner undefinierbaren Mahlzeiten warte, eine meiner pürierten, zerstampften oder klein geschnittenen Mahlzeiten, die nach nichts schmecken, während ich hier warte, mit einem Schlauch in meinem Penis und einem Fernseher an der Wand, in dem eine von Idioten bevölkerte Talk-Show läuft, sogar jetzt denke ich noch daran, immer und immer wieder; an etwas, das jetzt fast siebzig Jahre her ist – und trotzdem so nah, als wäre es eben erst passiert.
    Es geschah in den Jahren 1933 und 1934.

Erster Teil

1.
    Ich nehme an, es gab damals ein paar Leute, die Geld hatten, aber wir gehörten nicht dazu. Es war die Zeit der Depression, und selbst wenn wir Geld gehabt hätten, hätten wir nicht viel kaufen können außer Schweinen, Hühnern, Gemüse oder Baumwolle. Fleisch und Gemüse hatten wir selbst, und manchmal tauschten wir etwas davon gegen Baumwolle ein.
    Daddy hatte eine kleine Farm, und dort, wo wir lebten, war der Boden gut. Der Wind hatte Nord- und West-Texas weggefegt und Oklahoma gleich mitgenommen – aber im östlichen Teil von Texas war alles saftig grün, der Boden fruchtbar, und es gab genug Regen, dass alles gut und schnell gedieh. Sogar in den Dürreperioden behielt der Boden einiges an Flüssigkeit, und wenn die Ernte einmal nicht so gut war, wie sie hätte sein können, war sie immer noch gut genug. Während der Rest von Texas im Staub versank, wurde der Osten immer noch von unglaublichen Regenstürmen überrascht, manchmal sogar von einer Flut. Wenn überhaupt, verloren wir die Ernte eher an die Feuchtigkeit als an die Dürre.
    Wir hatten auch einen kleinen Friseurladen, in dem Daddy außer sonntags und montags täglich arbeitete, und weil niemand sonst das übernehmen wollte, war er außerdem Constable. Eine Zeit lang war er auch Friedensrichter gewesen, beschloss aber irgendwann, dass das zu viel des Guten sei, und nun machte Jim Jack Formosa diesen Job. Daddy behauptete, Jim Jack sei um Längen besser darin, die Leute für Mann und Frau oder für mausetot zu erklären.
    Wir wohnten in den tiefen Wäldern in der Nähe des Sabine River in einem Haus, das Daddy gebaut hatte, bevor wir geboren wurden. Es bestand aus drei Zimmern, hatte ein undichtes Dach, einen rauchigen Holzofen, eine Veranda mit einer mehrfach geflickten Fliegentür, ein Plumpsklo, in dem sich vorwiegend Schlangen tummelten, und nebenan eine klapprige Scheune. Wir benutzten Kerosinlampen, holten Wasser vom Brunnen, fischten und jagten, um den Speiseplan abwechslungsreicher zu gestalten. Wir besaßen fünfundzwanzig Morgen Kiefernwald und ein Feld, das wir mit Hilfe eines alten Maultiers namens Sally Redback bestellten. Wir hatten ein Auto, aber Daddy benutzte es nur, wenn er als Constable unterwegs war, und sonntags fuhren wir damit in die Kirche. Ansonsten gingen wir zu Fuß, nur meine Schwester und ich ritten ab und zu auf Sally Redback.
    Der Wald, der uns gehörte, und die Hunderte von Morgen, die uns
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