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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß
Autoren: Othmar Franz Lang
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BIST DU EIN YAHI?

    Sheriff Webber sprang aus dem klapprigen Wagen, als hätte er es im Kreuz. Er räkelte sich, zog seine Hose mit dem Ledergürtel hoch, klopfte auf die Pistolentasche, als ob er für einen Augenblick zweifelte, daß die Waffe noch drin steckte. Dann fragte er einen der Schlachtergesellen, die ihn erwarteten: »Wo ist er?«
    »Dort hinten am Zaun!« sagte ein rothaariger und rot-gesichtiger, riesiger Bursche.
    Wahrscheinlich Ire, schätzte Webber. »Und?« fragte er weiter. »Was sagt er?«
    »Der sieht nicht so aus, Sheriff, als ob er viel sagen möchte. Er hat nur ‘n bißchen gestöhnt. Ich schätze, daß er sich aus eigener Kraft nicht mehr erheben kann.«
    »Bewaffnet?« fragte Webber, der der ganzen Sache nicht traute. Verdammt, was hatte auch eine zerlumpte Gestalt am Zaun des Schlachthauses zu suchen. An den Koppeln fürs Schlachtvieh.
    »Bewaffnet!« rief der Rothaarige, der tatsächlich ein Ire war. »Ich wüßte nicht, wo der ‘ne Waffe hinstecken sollte, der hat ja nichts an.«
    »Nackt?« fragte der Sheriff und rief sich die entsprechenden Paragraphen in Erinnerung.
    »Er hat ‘ne Pferdedecke über, Sheriff, ‘ne alte Pferdedecke, völlig zerschlissen. Ich bin nicht zimperlich, aber mit diesem Dreckzeug möchte ich nicht in Berührung kommen.«
    Sheriff J. B. Webber ging langsam, die Hände in die Hüften gestemmt, auf die zusammengesunkene Gestalt am Zaun zu. Er fand es richtig, in etwa zehn Meter Entfernung stehenzubleiben und den Kerl erst mal aufzufordern, aufzustehen und die Hände hochzunehmen.
    Er sagte seinen Spruch zwei-, dreimal, dann sah er die Schlachtergesellen angewidert an und kalkulierte richtig, daß ihn jetzt nur ein Witz retten konnte.
    »Na«, rief er, »der Schnellste ist der nicht. Ich habe mit meinen Sprüchen schon wesentlich mehr Erfolg gehabt.«
    Er ging noch zwei, drei Schritte vor. »Hej«, rief er, »hörst du mich? Hej, ich bin der Sheriff. Und du hast mir zu antworten!« Er wandte sich an den Rothaarigen. »Ist er am Ende taubstumm? Hat er zu euch was gesagt?«
    »Der lag nur da. Zuerst dachten wir, er ist tot. Aber dann merkten wir, daß er atmete.«
    Nach zwei weiteren Schritten konnte Sheriff Webber feststellen, daß es sich um eine Rothaut handelte. Wo kam der Bursche her? Seine Haut hatte nicht den kupfernen Farbton, den Webber sonst bei Indianern gesehen hatte. Der hier war entschieden bleicher.
    Und das ausgerechnet in meinem Revier, dachte Webber. Konnte es nicht ein paar Meilen weiter sein?
    »Ich glaube, er versteht kein Englisch«, stellte Webber fest. »Kann einer von euch Spanisch?«
    Keiner konnte Spanisch.
    »Was habt ihr bloß in der Schule gemacht!« rief Webber und fand den Witz ganz anständig. Und damit die Burschen auch gleich merkten, daß dies ein Witz war, lachte er schallend. Aber das Problem, das ihm die zerlumpte Gestalt beschert hatte, war damit nicht aus der Welt geschafft.
    Webber ging jetzt nahe an ihn heran, So nahe, daß er diesen elenden Rest von einer Pferdedecke beinahe mit den Stiefelspitzen berührte. Aber die Rothaut tat so, als merke sie nichts.
    »Bist du ein Mann?« fragte er die abgemagerte Gestalt.
    »Ja, es ist ‘n Mann«, sagte der rothaarige O’Flaherty. »Ich hab’s gesehen.«
    »Der ist ja nur noch Haut und Knochen«, stellte Webber auf den zweiten Blick fest. Einen Moment durchzuckte ihn die Furcht, der Mann könne krank sein, irgendeine ansteckende Krankheit. Man konnte nie wissen! Schließlich war er nur der Sheriff und kein Doktor. — Und heiß wurde es auch. So ein heißer Spätsommertag, an dem der Himmel nicht richtig blau wurde, mehr wie mit Silber verwirkt schien. Und die Fliegen trieben es, daß es eine Schande war. Seltsam, daß der Indianer da unten keine Abwehrbewegung machte. Spürte er die Fliegen, die über ihn krabbelten, nicht?
    »Was seh’ ich denn da?« rief der Sheriff plötzlich. »Sind dem die Motten ins Haar gekommen?«
    »Sieht eher verbrannt aus«, sagte O’Flaherty, und die anderen stimmten zu.
    »Und dann spricht er kein Wort! Hej, Rothaut, hat dich einer in Brand gesteckt?«
    »Ich hab mal mit ‘nem Cowboy gesprochen«, erklärte O’Flaherty. »Der kam aus dem Norden. Er hat mir erzählt, daß sich die Indianer die Haare am Kopf anzünden. Soll ein Zeichen der Trauer sein oder so etwas Ähnliches.«
    »Traurig. So sieht er aus. Na, ich werde ihn auf jeden Fall erst mal mitnehmen. Komm, Freundchen, steh auf.«
    Webber zog den Indianer hoch und legte ihm, als dieser
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