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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß
Autoren: Othmar Franz Lang
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Ishi.
    »Hier muß es sein«, sagte er und begann zu graben. Bald hatte er die Knochen einer Bärenklaue gefunden. Es war die Stelle, wo er seinen Bären getötet hatte. »Wamoloku« hieß der Ort, Bärenklauenplatz.
    Als sie vor Kingsley Cave ankamen, ging keiner in die Höhle hinein.
    »Hier war es«, sagte Waterman, »die Yahi hatten sich in die Höhle geflüchtet. Und vier Viehtreiber waren hinter ihnen her. Es ging um ein Rind aus ihrer Herde. Sie hatten Blutspuren entdeckt, das Vieh gefunden, aus dem in aller Eile ein paar Stück Fleisch herausgeschnitten waren. Sie kamen am Morgen, Hunde hatten sie hergeführt. Und in der Höhle waren die Yahi gerade bei einer Art Frühstück. Sie waren über dreißig Männer, Frauen, Kinder, Alte. Der Anführer der Viehtreiber, Norman Kingsley, hat später ganz offen darüber berichtet, daß er während des Massakers sein Spencer-Gewehr, Kaliber 56, gegen eine 38 Kaliber Smith und Wesson ausgetauscht hatte, weil das Gewehr sie so zerrissen hat. Die Babys vor allem!«
    Saxton suchte die Nähe seines Vaters. »Gibt’s jetzt noch Massaker, Dad?«
    »Nein«, sagte Dr. Pope. »Jetzt nicht mehr. Nicht mehr hier.«
    Kroeber, der sehr still geworden war, mischte sich ein.
    »Aber ich würde nicht sehr stolz darauf sein, Saxton. Ich weiß nicht, ob es nicht noch genug Leute gäbe, die so etwas tun würden. Aber es sind einfach keine mehr da, die massakriert werden können.«
    »Bei bestimmten Leuten«, stimmte Dr. Pope zu, »ist die Bereitschaft zu solchen Dingen ganz gewiß immer vorhanden. Was ihnen fehlt, sind nur die Opfer.«
    »Und einen, der ihnen einredet, daß die anderen keine Menschen seien«, ergänzte Kroeber.
    »Kam Kingsley vor Gericht?« fragte der Junge.
    »Nein«, antwortete da Apperson. »Keiner von ihnen. Damals war die Stimmung derart... Ich weiß das von meinem Vater, wenn irgendwo irgend etwas fehlte, dann waren es einfach immer die Indianer gewesen. Immer die Indianer. Jetzt wird auch gestohlen, mehr als früher, wer ist es jetzt?«
    »Was man Saxton noch sagen sollte«, meldete sich Waterman, »damals dachten die Mörder hier, sie hätten die letzten Yahi getötet. Der Wahlspruch der Guards war ja: >Wir müssen sie alle umbringen, ob klein oder groß.< Endlich schien das Ziel erreicht zu sein. Die Rancher, die Guards und das Mördergesindel, das sich da zusammengefunden hatte, triumphierten. Einige zogen los, um sich die Hingemordeten in der Höhle hier anzusehen. Sie kamen zwei, drei Tage nach dem Massaker. Und die Höhle war leer.«
    »Wo wurden die Toten hingebracht?« fragte Saxton. »Und wer hat sie weggebracht?«
    »Es muß ein paar Überlebende gegeben haben, die haben sie bestattet. Ein Feuer wäre zu verräterisch gewesen, nimmt man an. Andererseits, vergraben konnte man sie hier auch nicht. Wenige Zentimeter unter dem Grasboden ist hier überall nur Fels. Niemand hat ihre Toten gefunden. «
    »Weiß Ishi etwas?« fragte Saxton.
    »Ishi schweigt«, sagte Kroeber.
    Sie sahen sich um. Ishi war verschwunden. Sein Pferd stand etwas abseits und rupfte zarte Blätter von einem Strauch.
    »Merkwürdig«, sagte Kroeber. »Hat jemand gesehen, wohin er gegangen ist?«
    Niemand hatte etwas bemerkt.
    »Soll ich rufen?« fragte Saxton.
    »Nein«, sagte Waterman. »Wer weiß...«Er ging zu Kroeber und schaute ihn lange an.
    »Wissen Sie, an wen ich denke?« fragte ihn Kroeber.
    »An Ishi, wie alt er wohl war, als das hier passierte.«
    »Nein. Ich denke an unseren Freund Juan Dolores.«
    »An diesem Ort?«
    Kroeber nickte. »Er hat mir erzählt, daß ein Papagokrieger, und nur ganz bestimmte ausgewählte Männer durften Krieger werden, daß also ein Papagokrieger, der getötet hatte, im Kampf getötet, sich einer sechzehntägigen rituellen Reinigung unterziehen mußte.«
    »Und?«
    »Nichts, ich erinnere mich nur daran. Und ich vergleiche.«
    »Da ist Ishi!« rief der junge Saxton. »Ishi, wo warst du?«
    Ishi schwieg lächelnd. Dr. Pope merkte, daß er irgendwie entrückt schien. Ishi wirkte ganz gelöst. Er war schön.
    »Ich hab’ Angst um dich gehabt, Ishi«, sagte Saxton, »wo warst du?«
    »Ich bin ja wieder da«, sagte Ishi.

    Ishi hatte so vieles mit den anderen mitgemacht, hatte gezeigt, was er konnte, wie er früher gelebt hatte, hatte Bogen und Pfeile geschnitzt, Feuer gemacht, gekocht, gejagt, nach den Fischen gestochen, eine Seilbrücke über den Deer Creek gezogen, sich den Lendenschurz angelegt, jetzt wollte er noch zu einem ganz bestimmten
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