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0806 - Die Hexe von Köln

0806 - Die Hexe von Köln

Titel: 0806 - Die Hexe von Köln
Autoren: Achim Mehnert
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Tod in der Altstadt
    Der Rhein war so schwarz wie der Schatten der jungen Frau, die ihn überquerte. Sie lief über die Hohenzollernbrücke und verharrte sekundenlang über dem steinernen Pylon in der Flussmitte, dann wandte sie sich zur linksrheinischen Seite, wo das Römisch-Germanische Museum und der Hauptbahnhof lagen. Gleich daneben waren die Umrisse des Kölner Doms zu erkennen.
    Kein Passant war auf dem schmalen Fußgängerweg zwischen Brückengeländer und den Eisenbahngleisen unterwegs. Zufrieden strich Samira an dem eisernen Geländer entlang, das eine Baumgruppe einrahmte.
    Sie mochte die Stelle gleich oberhalb der Uferpromenade, wo sich in lauen Sommernächten verliebte Pärchen trafen. Schon als Kind hatte sie dort gespielt und war seitdem immer wieder hergekommen. Von unten führten weite Stufen zu der kleinen Aussichtsplattform hinauf, auf der Samira stehen blieb. Sie kam gern hierher, weil sie von hier aus eine tolle nächtliche Aussicht hatte. Vor ihren Augen erstreckte sich die Kölner Altstadt, und drüben, jenseits des Flusses, funkelten die Lichter von Deutz.
    Die Altstadt lag still und verlassen da, nur aus einigen Kneipen drangen vereinzelte Stimmen und gedämpfte Musik. Wo sich zu einer weniger nachtschlafenden Zeit Einheimische und Touristen bunt vermischten, kehrte allmählich Ruhe ein. Glücklicherweise regnete es nicht mehr.
    Eine schwarze Katze schaute zu ihr empor. Miauend drückte sie sich an Samiras Beine.
    »Ist dir kalt, mein kleiner Liebling?«
    In Selinas Augen funkelte es gelb. Der Vierbeiner senkte den Kopf, seine Gedanken erreichten die von Samira. Nein, er fror nicht, aber er ahnte Unheil voraus. Es braute sich bereits zusammen und lag in unmittelbarer Nähe.
    »Schon gut, Selina«, beschwichtigte Samira ihren Familiaris. »Du brauchst mich nicht anzuknurren. Ich glaube dir ja.«
    Auch Samira fror nicht, obwohl es recht kühl und sie ziemlich offenherzig gekleidet war. Sie war im ältesten Gewerbe der Welt tätig und hatte in ihrem kleinen Apartment eben noch einen Kunden gehabt.
    »Hexe und Prostituierte«, murmelte sie gedankenverloren. »Was für eine Kombination.«
    Zweifellos hätte sie mit ihren magischen Fähigkeiten auf andere Weise Geld verdienen können, aber ihr gefiel, was sie tat. Jetzt jedenfalls, da sie endlich frei war und nicht mehr…
    Sie verdrängte die aufkommende Erinnerung an ihren ehemaligen selbst ernannten Beschützer. Was von ihm übrig geblieben war, war keinen Gedanken mehr wert. Er hatte seine gerechte Strafe erhalten, nachdem er wieder mal über sie hergefallen war, nicht mehr und nicht weniger.
    Samira schreckte auf, als ein spitzer Schrei an ihre Ohren drang. Er klang angsterfüllt, und wenn sie sich nicht irrte, war er aus Richtung des Museums gekommen, aber dort war nichts zu sehen.
    Sie lief auf ihren hochhackigen Schuhen los, auf denen sich die meisten Frauen die Knöchel gebrochen hätten. Nicht so jedoch Samira, die sich mit der gleichen Eleganz bewegte wie Selina. Klackende Geräusche entstanden, als sie die Treppe abwärts hastete. Sie lag so verlassen da wie die Rheinuferpromenade, über die tagsüber unzählige Menschen flanierten.
    Niemand begegnete Samira, als sie einen Brunnen passierte, der nur während der Sommermonate mit Wasser gespeist wurde. Nun diente er als Auffangbecken für vertrocknetes Laub. Vor ihr wiegten sich die Kronen einiger Bäume im Wind, Gespinste aus skelettierten bräunlichen Fingern, die himmelwärts deuteten. Trockenes Laub vom vergangenen Jahr fiel herab und sammelte sich auf einem schmalen Stück Rasen, wo es hin- und hergewirbelt wurde.
    Samira orientierte sich. Von dort vorn musste der Schrei gekommen sein, den sie vernommen hatte. Allerdings war auch hier niemand zu sehen, was aber nichts besagte. In der Nacht brauchte man sich nur in einen Hauseingang zu ducken, um scheinbar unsichtbar zu werden.
    Doch wer, wie Samira vermutete, um Hilfe schrie, versteckte sich nicht, sondern bemühte sich, wahrgenommen zu werden.
    Als sie eine Hausecke erreichte, hinter der eine schmale Gasse begann, vernahm sie eine Stimme. Obwohl die Worte vom Wind an ihr Ohr getragen wurden, konnte sie sie nicht verstehen. Sie stammten von einer Frau und klangen undeutlich und erstickt.
    »Nun zier dich nicht so!«, zischte eine andere Stimme, diesmal eindeutig die eines Mannes. Sie klang alles andere als freundlich, vielmehr fordernd und bedrohlich. »Hör endlich auf, dich zu wehren, sonst ziehe ich andere Saiten auf!«
    Vor
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