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Make Me Gluecklich

Make Me Gluecklich

Titel: Make Me Gluecklich
Autoren: Christiane André
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Bei mir klingelt das Handy einfach immer im falschen Moment. Immer. Wenn ich zu Hause auf dem Sofa sitze und massenhaft Zeit und Ruhe habe, klingelt es nie, dann hat kurz zuvor der Akku den Geist aufgegeben, und ich merke es erst Stunden später. Aber es klingelt, wenn ich im voll besetzten Wartezimmer zwischen all den schweigenden Menschen sitze, direkt unter dem »Handys verboten«-Schild. Es klingelt im Kino, kurz vor der Stelle, wo sie ihn (endlich, endlich!) gleich küsst. Oder, so wie jetzt, bei der Arbeit, während mein Chef gerade vor mir steht und mich wegen irgendeiner angeblichen Fehlleistung zur Schnecke macht.
    ». . . habe ich Ihnen schon hundertmal gesagt, Frau Tessner, oder etwa nicht?! Es kann doch nicht so schwer sein, die Reihenfolge einzuhalten: Jalousie, Schild, Kasse, Kaffee, Post. Sie sind doch jung und im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte – oder irre ich mich?! Jalousie, Schild, Kasse, Kaffee, Post . . .«
    Am liebsten hätte ich vor Wut in die dicke Holzplatte des Ladentischs gebissen. Was für eine Ungerechtigkeit! Es war so vollkommen egal, in welcher Reihenfolge ich morgens die Buchhandlung Schubert betriebsbereit machte. Sollte er doch froh sein, dass ich sie überhaupt aufmachte, obwohl ich gar nicht Schubert hieß. Dass nicht er so früh aufstehen musste, sondern in mir einen preiswerten Deppen gefunden hatte, der das übernahm? Sollte er mir nicht täglich die Füße küssen dafür, dass ich so gut mit den Kundenumgehen konnte, dass ich ihnen mehr Bücher verkaufte, als sie je hatten haben wollen?! Stattdessen nutzte er jede Gelegenheit, an mir herumzumeckern. Wieso war ich eigentlich noch hier?
    Bevor ich jedoch zum ernsthaften Versuch übergehen konnte, mir diese Frage zu beantworten, klingelte – wie schon gesagt – mein Handy.
    »Let’s talk about sex, ba-by«, dudelte es aus meiner Handtasche, laut und vernehmlich. ›Salt’n’Pepa‹, wie abgrundtief peinlich! Ich spürte, wie ich tomatenrot anlief. Verdammt, wieso hatte ich mir vor zwei Wochen ausgerechnet diesen Song draufgespielt – sentimentale Erinnerung an meine erste richtige Party Anfang der neunziger Jahre und an Oliver, meinen ersten richtigen Schwarm.
    Wenn es etwas gibt, das mein Chef noch weniger leiden kann als zum falschen Zeitpunkt eingeschaltete Kaffeemaschinen, dann sind das während der Arbeitszeit klingelnde Handys. Er brach mitten im Wort ab, stierte mich an, als wäre ich eine besonders eklige Kakerlake, und drehte sich auf dem Absatz um. Ich wusste, welchen Vortrag er nun als Nächstes vorbereitete.
    Unter dem Tisch hatte ich bereits angefangen, in meiner Tasche zu wühlen.
    »Nora«, flüsterte ich endlich. »Was ist denn?« Es konnte eigentlich nur Sven sein; keine meiner Freundinnen war um diese Uhrzeit schon wach genug, um vernünftig zu telefonieren.
    »Schätzchen! Bist du das? Du sprichst so leise! Hallo? Nora?!«
    O nein. Von all den vielen Menschen auf diesem Planeten, die meine Handynummer besitzen, war es ausgerechnet meine Mutter. Ich dachte tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde daran, »Hallo, hallo, die Verbindung ist so schlecht« zu rufen und wieder aufzulegen, aber dann brachte ich es doch nicht fertig.
    »Ja, ich bin’s. Schrei doch nicht so.«
    »Nora, Schatz, hallooo! Ich schrei doch gar nicht! Habe ich dich jemals angeschrien, Schätzchen?! Nein, siehst du! Das ist stillos, und wenn ich etwas in ausreichendem Maße besitze, dann ist es Stil! Was man von anderen Dingen nicht behaupten kann, tut aber jetzt nichts zur Sache. Zu dir: Wie geht es dir, Darling?! Wir haben ja schon wieder eine Ewigkeit nicht miteinander gesprochen . . .«
    So war es. Meine Mutter besetzte seit ewigen Zeiten auf meiner persönlichen In - und Out-Liste einen Stammplatz auf der Seite mit O – ungefähr seit meinem fünfzehnten Lebensjahr. Jetzt war ich mittlerweile fast doppelt so alt, und es gab keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern würde. Anders ausgedrückt: Sie lieferte keine Anzeichen dafür, dass sie sich ändern würde.
    »Ja, Mama. Was ist denn? Ich bin bei der Arbeit . . .«
    »Meinst du in diesem Buchladen?! Hast du das immer noch nicht aufgegeben?! Nora, ich habe dir doch schon vor zwei Jahren gesagt, dass das nichts für dich ist! Zu einsam, zu verstaubt, und was ist mit einer Karriere?! Wozu hast du denn studiert, Schätzchen, wenn du dann doch nur in einem kleinen Laden in Schöneberg herumhockst und ab und zu mal einen Kalender verkaufst?! Du musst was aus dir machen . .
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