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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien
Autoren: George Orwell
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der Times an, der einen der üblichen Angriffe während der Kriegszeit auf die Intellektuellen losläßt: » -die allgemeine Schwächung des Imperialismus und zu einem gewissen Grade der ganzen britischen Moral, wie sie sich in den dreißiger Jahren abzeichnete, wurde teilweise durch die Linksintellektuellen verursacht, die selbst aus der Stagnation des Empires emporwuchsen.« Die Mentalität der englischen Linksintellektuellen kann man in einem halben Dutzend Wochen- und Monatszeitschriften studieren. In all diesen Zeitschriften wird man sofort von ihrer verneinenden, streitsüchtigen Haltung beeindruckt und zugleich von der völligen Abwesenheit irgendwelcher konstruktiver Vorschläge. Man findet darin nichts außer der verantwortungslosen Krittelei von Leuten, die weder je an der Macht waren noch erwarten, sie einmal zu erlangen.
    »Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre ist nichts als Unheil entstanden aus der negativen, faulen Weltanschauung der englischen Linken, des Hohns der Intellektuellen über den Patriotismus und den körperlichen Mut, den fortgesetzten Versuch, die englische Moral zu untergraben und einen Geist des Hedonismus und der selbstsüchtigen Lebenseinstellung zu verbreiten.« Aber er war kein Leitartikelschreiber für die Times. Er hatte in Spanien gekämpft und wäre beinahe dort umgekommen, seine Einstellung zu den spanischen Ereignissen war wirklich revolutionär. Die zitierten Sätze stammen aus der Broschüre The Lion and the Unicorn , einer überzeugenden Darstellung der Sache des Sozialismus in England.
    Gegen Ende seines Lebens entdeckte Orwell einen anderen Grund für seine Bewunderung der alten, bürgerlichen Tugenden und für seine Kritik an der Intelligenz. Walter Bagehot pflegte von den politischen Vorteilen der Dummheit oder des Stumpfsinns zu sprechen. Damit meinte er die Beschäftigung mit den eigenen privaten materiellen Interessen, die als politisches Motiv einem theoretischen intellektuellen Interesse vorzuziehen seien. Man kann sagen, daß Orwell schließlich die alten bürgerlichen Tugenden respektierte, da sie stumpfsinnig waren, das heißt, sie widerstanden der Macht abstrakter Ideen. Aus dem gleichen Grunde kam er dazu, Dinge und materiellen Besitz zu lieben. Er wurde niemals ein »Anti-Intellektueller«, aber er begann zu fürchten, daß die Hingabe an abstrakte Ideen viel schädlicher sein könnte, als die Hingabe an den nackten Materialismus des Eigentums je gewesen war. Der ausgesprochene Stumpfsinn von Dingen hat etwas Menschliches an sich, etwas Heilendes, ja sogar etwas Befreiendes. Zusammen mit der Dummheit der alten gedankenlosen Tugenden behauptet sich dieser materielle Stumpfsinn gegen die äußerste, absolute Macht, welche die bedingungslose Idee entfalten kann. Das Wichtigste in 1984 ist gerade diese Tatsache, die Gefahr der äußersten und absoluten Macht, die der Geist hervorbringen kann, wenn er sich von Bedingungen, der Knechtschaft der Dinge und der Geschichte befreit. Das ist aber, wie ich sagte, eine späte Form der Orwellschen Kritik am Intellektualismus. Während der längsten Zeit seiner literarischen Karriere war seine Kritik einfacher und weniger extrem. Sie lautete ganz einfach so: daß Intellektuelle nicht denken und daß sie die Wahrheit eigentlich nicht lieben.
    Im Jahre 1937 ging Orwell nach Spanien, um den Bürgerkrieg zu beobachten und darüber zu schreiben. Er blieb, um am Krieg teilzunehmen, indem er der Miliz als Freiwilliger beitrat. Zu jener Zeit hatte jede der Parteien noch ihre eigenen Milizverbände, obgleich diese im Begriff standen, in der allgemeinen Volksarmee absorbiert zu werden. Da seine Einführungsbriefe von Leuten einer bestimmten politischen Gruppe in England stammten, der I.L.P. Independent Labour Party , die Verbindungen zur P.O.U.M. Partido Obrero de Unificación Marxista hatte, trat Orwell in eine Einheit dieser Partei in Barcelona ein. Er sympathisierte damals eigentlich nicht mit den Ansichten seiner Kameraden und ihren Vorgesetzten. Während der Zeit des internen Parteikampfes wurde die P.O.U.M. in Spanien und außerhalb als trotzkistisch bezeichnet. Sie war es aber in Wirklichkeit nicht, obgleich sie sich mit der kleinen trotzkistischen Partei verband, um gegen bestimmte Taktiken der beherrschenden kommunistischen Partei zu opponieren. Als Orwell in die Miliz eintrat, bevorzugte er die Linie der kommunistischen Partei, und darum wartete er darauf, früher oder später zu einer kommunistischen Einheit versetzt zu
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